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Und nehmen was kommt

Und nehmen was kommt

Titel: Und nehmen was kommt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Laher
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Pension, weil sie keine Papiere haben, müssen sie im vorhinein zahlen. Sie decken sich mit dem Nötigsten an Kleidung ein und genießen im übrigen die wiedergewonnene Freiheit. Monika erinnert sich an ihre verzagte Unentschlossenheit beim ersten Pragabenteuer, mit Barbora ist tatsächlich alles anders. Es geht ihnen gut, fast zu gut, denn das Geld schwindet beängstigend rasch, ohne daß sie sich dessen richtig bewußt sind.
    Monika hätte jetzt alle Zeit der Welt, um mehr über Barbora herauszufinden, die sie mag wie seit Darina niemanden mehr. Es wäre außerdem dringend nötig zu beraten, was werden soll aus ihnen, sie spüren es beide und schieben es doch vor sich her, zu groß ist der Nachholbedarf, zu beängstigend das Thema, zu mächtig die Droge. Gleich zweimal am Tag gehen sie dafür ins Kino, sie besorgen sich CD-Player und suchen im Laden stundenlang nach der richtigen Musik. Monika steht auf fetzigen Hip Hop, aber sie kennt kaum Namen von Gruppen und Solisten.
    In einer Automatenbar werfen sie nebeneinander Münzen in die Schlitze, albern herum, und Barbora, die Monika einen weiteren Hunderter wechseln lassen will, nimmt es zunächst als dummen Scherz, als diese beteuert, ihr Anteil am Geld sei verbraucht. Du aber müßtest doch noch welches haben, ist Monika überzeugt, das gibt’s doch gar nicht. Sie zählt der Freundin auf, was sie alles für beide bezahlt hat, aber auch Barbora hat viel bezahlt. Sie geraten in Streit. Monika ist wütend und schwer enttäuscht, daß Barbora, die stets vorgibt zu wissen, wo’s langgeht, auch nur mit Wasser kocht. Daß ich selbst mit Geld nicht umgehen kann, sagt sie sich, ist bei meiner Lebensgeschichte kein Wunder, Barbora dagegen ist doch schon ein paar Jahre im Geschäft, viel älter und kommt nicht aus dem Heim. Aber wie viel älter ist Barbora wirklich, und woher kommt sie?
    Die beiden sind immer lauter geworden. Vielleicht kann ich euch helfen, mengt sich da ein gut aussehender Mann in passablem Tschechisch ein, der den beiden schon eine Weile zugehört hat. Wenn ich es richtig verstanden habe, ist euch das Geld ausgegangen, und Arbeit habt ihr auch keine. Ich könnte meine Lebensgefährtin fragen, ob sie für euch etwas Passendes hätte, sie betreibt nämlich eine Agentur. Er lädt Monika und Barbora zur Beruhigung auf einen Drink ein, erzählt ihnen, auch er habe schwere Zeiten hinter sich, Libanese sei er, vor dem Bürgerkrieg geflohen und auf Umwegen in Prag hängen geblieben. Die Liebe, meint er vielsagend.
    Ihre Auseinandersetzung ist schnell vergessen, die beiden klammern sich an den unerwarteten Strohhalm. Was ist das für eine Agentur? fragt Barbora neugierig. Ach, sie vermittelt Damen an seriöse Etablissements, tanzen, animieren und so. Barbora steckt ihre Zigarette zwischen die Lippen, formt mit Daumen und Zeigefinger der linken Hand ein Loch und fährt mit dem rechten Zeigefinger durch und zurück, durch und zurück. Das auch? fragt sie. Kommt ganz darauf an, antwortet ihr neuer Bekannter, hängt von euch ab, ist aber nicht Bedingung. Am besten, ich rufe gleich einmal unverbindlich an, wenn es euch recht ist.
    Er stellt sich etwas abseits und telefoniert. Dabei bleibt der Blick auf die jungen Frauen geheftet, er scheint sie genau zu beschreiben. Was hältst du von ihm? fragt Monika. Barbora zuckt unschlüssig mit der Schulter. Kannst du tanzen? fragt Monika. Für die Stange reicht es, antwortet Barbora, aber so richtig auf einer Bühne, nein, das nicht. Monika muß auflachen. Ich glaub nicht, daß wir für ein Musical oder sowas engagiert werden sollen. Kurze Stille. Wenn er uns nur nicht verkauft, sagt sie dann leise und schaut ins fast leere Glas.
    Es könnte euer Glück gewesen sein, daß ihr ausgerechnet hier hereingefallen seid, verkündet der Libanese aufgekratzt, als er zurückkommt. Ihr könnt doch halbwegs Deutsch, oder? Die beiden nicken. Wunderbar, wunderbar. Also, stellt euch vor, in Zürich sucht ein exklusiver Betrieb zwei hübsche Damen wie euch. Ich wiederhole: Zü-rich, ich nehme an, ihr wißt, was das heißt. Und er reibt vergnügt Daumen und Zeigefinger aneinander.
    Monika zumindest weiß es nicht, sie hat noch nie etwas von Zürich gehört, und die Schweiz sagt ihr auch wenig mehr als hohe Berge und Käse mit Löchern. Überlegt es euch gut, so ein Angebot kriegt ihr nicht so schnell wieder, setzt er nach, weil Monika und Barbora nicht gleich reagieren. Ich kann ja verstehen, daß das alles ein bißchen plötzlich kommt.

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