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Und nie sollst du vergessen sein

Und nie sollst du vergessen sein

Titel: Und nie sollst du vergessen sein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joerg Boehm
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den Teller legen“, sagte Roswitha Villinger, während sie den Rotkohl appetitlich zu den Rouladen drapierte.
    Nachdem Emma die Knödel verteilt und die Sauce über das Fleisch gegeben, zusammen mit ihrer Vermieterin die Teller an den Tisch getragen und jedem Besteck gereicht hatte, begannen die vier zu essen.
    Auch wenn alle den Mund voll hatten und genussvoll aßen, so bemerkte Emma doch, dass heute etwas anders war als sonst. Das Schweigen hatte einen anderen Grund, und sie konnte sich schon denken, was es war. Die fröhliche Atmosphäre, die sonst bei Villingers herrschte, war verschwunden. An ihrer Stelle hatte sich eine ständig wachsende Besorgnis breitgemacht, die ähnlich undurchdringbar schien wie der Nebel vor den Fenstern.
    Emma schaute, während sie sich ein Stück Knödel abschnitt und in die duftende Rotweinsauce tunkte, von einem zum anderen herüber. Silvia saß mit gesenktem Haupt auf ihrem Platz und blickte gedankenverloren auf ihren Teller. Roswitha schaute aus dem Fenster in die Dunkelheit, während sich ihr Mann mit angestrengtem Blick eine weitere Roulade aus der Schüssel auf den Teller legte.
    Wie sehr Angst doch lähmen und einen noch so lebensbejahenden und fröhlichen Menschen beeinflussen kann, dachte Emma, die in ihrem Berufsalltag schon oft die Macht der Furcht erlebt hatte. Doch das Bedrückendste bei allem war, dass man nichts dagegen konnte. Reden ist das Einzige, das hilft, erinnerte sie sich an die Worte ihrer Psychologin Maya Kirscher-Kresch, die sich sicher war, dass sämtliche zwischenmenschliche Probleme nur mit einer offenen Kommunikation gelöst werden konnten.
    Augenblicklich musste sie an das gestrige Telefonat mit ihrem Vater denken, der ihr in seiner ganzen Offenheit von ihrem neuen Geschwisterchen erzählt und sie dabei gleichzeitig um Verständnis gebeten hatte. Sie fragte sich zwar immer noch, ob wirklich er es war, der sie angerufen hatte, so abstrus fand sie seine Worte. Doch gleichzeitig musste sie sich auch eingestehen, dass sie ihm das gleiche Recht einzuräumen hatte, das sie über die gesamten Teenagerjahre von ihren Eltern eingefordert hatte: Das Leben nach den eigenen Vorstellungen zu leben – mit all den Herausforderungen, Problemen, Ängsten und Nöten, die es für einen bereithielt.
    Was für ein Gespräch das doch war. Ein Gespräch, das ich erst gar nicht annehmen wollte, weil …
    Ihre Augen weiteten sich. Sie stoppte mitten im Kauen und verschluckte sich dabei so sehr, dass sie plötzlich heftig würgen und husten musste. Alle am Tisch schauten sie mit besorgter Miene an. Georg Villinger, der links neben ihr saß, hatte bereits seine rechte Hand gehoben, um ihr notfalls mit einigen Klopfern auf den Rücken aus ihrer misslichen Lage zu helfen.
    â€žIst alles in Ordnung?“, fragte Roswitha Villinger, die schnell Emmas Glas mit Wasser aufgefüllt hatte und es ihr jetzt reichte.
    Emma nickte nur und gab mit ihrer linken Hand Georg Villinger zu verstehen, dass sie auf sein Angebot nicht zurückkommen musste, während sie sich die rechte Hand vor ihren Mund hielt.
    â€žEs geht schon, danke“, presste sie hervor und griff nach einer Serviette.
    â€žSind die Rouladen etwa so scharf?“, fragte Roswitha Villinger, die mit einem Blick auf Emmas Teller und Gabel gesehen hatte, dass es zuletzt die gebratene und mit Gurken, Speck und Zwiebeln gefüllte Fleischrolle gewesen war, die Emma verspeist hatte.
    â€žNein, nein, mir ist nur etwas in den Kopf geschossen und da hat mein Gehirn einfach keine Kapazitäten mehr gehabt, um auch den Schluckvorgang zu steuern“, sagte sie und versuchte dabei, krampfhaft zu lächeln.
    Sie entschuldigte sich und ging kurz zur Toilette, um sich etwas frisch zu machen. Als sie zurück ins Wohnzimmer kam, streifte ihr Blick ein Buch, das zu Dekorationszwecken aufgeschlagen auf der Anrichte lag.
    â€žDarf ich mal reinschauen?“, fragte sie Georg Villinger, der gerade dabei war, den Tisch abzuräumen.
    â€žAber sicher. Möchtest du noch etwas?“
    â€žNein, vielen Dank, und es war wirklich sehr lecker, auch wenn das jetzt wohl nicht den Anschein hatte.“ Emma lächelte zu Roswitha Villinger herüber, die mit einem Spüllappen und einem Handtuch bewaffnet aus der Küche kam und couragiert die Wachstischdecke abwischte.
    â€žIch wusste gar nicht, dass du dich so für Rosen interessierst“,

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