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Und nie sollst du vergessen sein

Und nie sollst du vergessen sein

Titel: Und nie sollst du vergessen sein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joerg Boehm
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sagte „Die Haare schwarz, die Lippen rot, nun ist sie wie Schneewittchen tot“?
    Doch es waren nicht die aus ihrer Sicht zusammenhanglosen Worte, die ihr den Appetit auf die geliebte badische Küche, den in diesen Höhen so guten und erholsamen Schlaf und vor allem die pure Freude an den teilweise recht anspruchsvollen Kreuzworträtseln genommen hatten. Es war das schlechte Gewissen, das sie heimsuchte, seitdem sie genau den Mann tot im Wasser liegen gesehen hatte, der ihr keine drei Stunden zuvor das kleine Lied vorgesungen hatte.
    War sie etwa schuld an diesem Mord? Hätte sie ihn gar verhindern können, wenn sie nur besser zugehört hätte? Es waren diese Fragen, mit dem ihr Gewissen sie quälte. Doch ihre Schuldgefühle wurden noch schlimmer, als Roswitha Villinger ihr – sie wollte mit Herbert gerade zu einem Spaziergang entlang des neu eingerichteten Rosenwanderwegs aufbrechen – im Flur auch noch vom Mord an Maria Reisinger erzählt hatte. Leichenblass muss sie gewesen sein, hatte Herbert gesagt, als sie nach einer gefühlten Ewigkeit auf dem weichen Sofa ihres Apartments aufgewacht war. Ihr Mann war laut geworden und hatte ihr ab sofort untersagt, auch nur noch einen Tropfen des so bekömmlichen badischen Rotweins zu trinken.
    Doch es war nicht der Alkohol, der sie hatte schwindelig werden und das Gleichgewicht hatte verlieren lassen. Aber das wusste Herbert nicht.
    Noch nicht.
    â€žHerbert.“ Luise nahm ihren ganzen Mut zusammen. Doch wem, wenn nicht ihrem Mann sollte sie von ihren Gewissensbissen erzählen?
    â€žMmmmh“, brummte Herbert hinter seiner Zeitung, die ihnen Roswitha Villinger vor wenigen Minuten erst vor die Tür gelegt hatte.
    â€žIch muss dir etwas sagen.“
    Stille. Nur das Ticken der Uhr und das Blättern der Zeitung waren zu hören.
    â€žHerbert, ich habe mit dir gesprochen.“
    â€žIch höre.“ Nur widerwillig senkte er seine Lektüre und schaute sie säuerlich an, in der Erwartung, dass es wieder nur eine Nichtigkeit sein musste, für die ihn seine Frau störte.
    â€žWas weißt du denn jetzt schon wieder nicht?“
    â€žWas?“ Luise starrte ihn irritiert an, ehe sie begriff, dass er ihr Kreuzworträtsel meinte.
    â€žEs geht doch gar nicht um wissen oder nicht wissen. Ich glaube, ich muss zur Polizei.“
    â€žWas redest du da? Zur Polizei? Red keinen Blödsinn. Nur weil man sich fürchtet, bekommt man noch lange keinen Personenschutz. Du bist schließlich nicht Angela Merkel.“
    Er wollte sich gerade wieder seiner Nachmittagslektüre widmen, als Luise erneut ansetzte: „Ich muss der Polizei etwas sagen. Etwas, das mit dem Bauern zu tun hat.“
    â€žDer ist doch tot, das hast du selbst gesehen.“
    â€žJa, aber vielleicht wäre er noch ...“ Sie stockte und die Tränen schossen ihr ins Gesicht. Herbert legte die Zeitung auf den Wohnzimmertisch, erhob sich aus seinem Sessel und ging zu seiner Frau hinüber, die ihr Gesicht mittlerweile hinter einem Papiertaschentuch verborgen hatte. Behutsam legte er den Arm um ihre Schulter und blies ihr sachte in den Nacken. Eine Angewohnheit, die er so liebte und die seine Frau für gewöhnlich schnell wieder zur Ruhe kommen ließ.
    â€žWas ist denn los?“, fragte er in ruhigem, fast schon sanftem Ton.
    Luise schluchzte. „Als ich am Freitag einkaufen ging, um die Eier, Brötchen und deine Zeitung zu holen, da saß dieser Mann, also der tote Bauer, vor der Kirche. Ich habe mich richtig erschrocken, als er plötzlich lospolterte, während ich an ihm vorbeiging.“ Sie schnäuzte sich so stark, dass ihr das von Tränen durchgeweichte Taschentuch in mehrere Teile zerriss. „Und?“, fragte Herbert, der sie weiterhin beruhigte, aber immer noch nicht ganz verstand, worum es eigentlich ging.
    â€žErst beim genaueren Hinhören bemerkte ich, dass er etwas vor sich her sang. Aber nicht ich war gemeint, sondern jemand anders. Vielleicht sein Mörder …“ Wieder schluchzte Luise. „Auf jeden Fall ist er jetzt tot.“
    â€žAber daran bist du ja nicht schuld.“
    â€žMeinst du?“
    â€žJa, natürlich.“
    â€žAber vielleicht würde jetzt alles ganz anders sein, der Mann noch leben, wenn ich der Polizei von dieser Begegnung und dem kleinen Lied berichtet hätte.“
    â€žHätte, wenn und aber. Er ist bestimmt nicht wegen des Liedes

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