Und nie sollst du vergessen sein
einer Tür und ging die einzelnen Hängeregister nach den Buchstaben durch. Es dauerte keine zehn Sekunden, da holte er einen Schnellhefter hervor, blätterte ihn kurz durch und gab ihn dann Emma.
âHier ist alles, was ich über das Rosenfest 1997 berichtet habe. Und hier ...â, er zeigte Emma ein Bild, âträgt Charlotte ihre Kette.â
Emma nahm das Bild in die Hand und betrachtete es. Länger, als sie sich bisher je ein Bild angeschaut hatte.
âAber wie kann dann René erzählen, dass es Charlottes Medaillon ist?â, fragte Emma mehr sich selbst als ihr Gegenüber, während sie das Foto noch intensiver scannte â in der Hoffnung, dass ihr der Bildausschnitt irgendetwas sagen könnte.
âTja, der gute René. Was tut man nicht alles, um seine Haut zu retten.â
âWieso sollte er das tun?â
âWeil René seit heute Morgen der Hauptverdächtige ist, sowohl Franz Marder als auch Maria Reisinger und wie du es eben gehört hast, jetzt wohl auch noch Reinhold Nägele ermordet zu haben.â
René! Also doch!, sinnierte Emma. Auch wenn sie immer noch nicht ganz glauben konnte, was ihr Thomas Albiez da gerade erzählt hatte, so war sie längst davon überzeugt, dass René Lusser ein wichtiges Puzzleteil in dem Ganzen war. Hatte er ihr wirklich sein ganzes Herz ausgeschüttet? Oder hatte er sie gar an der Nase herumgeführt, als sie sich Sorgen um ihn machte und ihm den Tipp gab, der Polizei von seinem Streit mit Charlotte zu erzählen?
Sie war schon wieder auf dem Weg Richtung Nöggenschwiel, als sie das Radio einschaltete. Es liefen gerade Nachrichten â wenn auch zu einer eher ungewöhnlichen Zeit â und so hörte sie genauer hin:
â⦠scheint gefasst. Wie die Polizei vor einer Stunde mitteilte, wurde René Lusser wegen des dringenden Tatverdachts festgenommen, Reinhold Nägele am Dienstagabend in der Nöggenschwieler St. Stephan-Kirche hinterrücks angegriffen und dabei lebensgefährlich verletzt zu haben. Laut Polizeisprecher wurden neben der Tatwaffe â einer Monstranz â ein Paar schwarze Lederhandschuhe gefunden, die Lusser gehören sollen. Inwieweit er auch für die beiden Morde an Franz Marder und Maria Reisinger verantwortlich gemacht wird, wollte uns die Polizei auf Nachfrage nicht mitteilen. Auch hier laufen die Ermittlungen weiter.â
Auch wenn es ihre Befürchtungen bestätigte, so wollte sie dem Radiosprecher nicht glauben. Oder sollte Thomas Albiez also wirklich recht behalten haben? René war alles, nur kein Mörder. Das sagte zumindest ihre Intuition. Oder doch? Vehement versuchte sie, den Zweifel zu verdrängen, doch er blieb hartnäckig und belästigte sie auf der gut 15 Kilometer langen Autofahrt von Waldshut zurück in den Hotzenwald von Minute zu Minute mehr. Auch dann noch, als sie von der BundesstraÃe in das kleine Wäldchen abbog.
Bedächtig, fast um jede Kurve schleichend, aus Angst, wieder in den Gegenverkehr zu geraten, lenkte Emma ihren Mini durch den kleinen Hain. Es war das zweite Mal, dass sie den Tannenwald durchfuhr, doch dieses Mal hatte sie nicht das Gefühl, alles hinter sich zu lassen und frei zu sein.
Dieses Mal war es ein beklemmendes Gefühl. Ein Gefühl, dem man nicht entkommen konnte, das einen mehr und mehr in die Angst hineinzog.
Schlimmer: Ein Gefühl, das sie von innen heraus auffraÃ.
neunundfünfzig
Luise Kampmann saà auf ihrem Stuhl und löste Kreuzworträtsel.
Doch von Lösen konnte eigentlich keine Rede sein. Viel mehr starrte sie die Kästchen an, die vor ihren Augen zu flimmern und zu tanzen begannen. Dabei liebte sie Blumenrätsel, fast noch mehr als diese Reiserätsel. Zwar hatte sie noch nie etwas gewonnen, aber darauf kam es ihr auch gar nicht an. âIch mache das nur für meine kleinen grauen Zellen, die immer etwas zu tun haben wollenâ, pflegte sie zu sagen, wenn ihre Tochter nur kopfschüttelnd im Kampmannschen Wohnzimmer in Dortmund stand und die ganzen Rätselhefte begutachtete.
Doch heute konnten sie weder die zehn zu gewinnenden Blumendekors noch die verschiedenen Fragen nach sommerblühenden Pflanzen, nach der Anordnung von Blüten und nach dem lateinischen Namen des Veilchens zum Rätseln bewegen. Immer wieder ging ihr der Spruch des alten Mannes durch den Kopf. Besonders eine Zeile beschäftigte sie. Was hatte er nur gemeint, als er
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