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Und nie sollst du vergessen sein

Und nie sollst du vergessen sein

Titel: Und nie sollst du vergessen sein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joerg Boehm
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ins Gesicht gezogen und mit ihrem gesamten Körper gegen den auflebenden Wind kämpfend, hatte seinen Weg in Höhe des um diese Uhrzeit noch nicht geöffneten Gasthofs „Rössle“ gekreuzt.

elf
    Luise und Herbert Kampmann – sie in ein blaues Regencape gehüllt, er in eine graue und winterfeste Jacke gekleidet, dazu eine passende Seemannsmütze auf dem Kopf – kämpften unter Einsatz ihres gesamten Körpergewichts gegen die Windböen an, die über die Anhöhen des Südschwarzwaldes tosten. Die kräftigen Regenschauer des Morgens hatten zwar nachgelassen, aber immer noch flogen winzige, fast unsichtbare Tropfen, einer schwachen Gischt gleichkommend, durch die Luft und benetzten alles mit einer leichten und doch ausgesprochen unangenehmen Feuchtigkeit.
    Selbst die majestätischen Tannen und Fichten verbeugten sich mit ihren Kronen vor dem Wind, der unablässig peitschte und immer wieder Regentrauben niederprasseln ließ.
    â€žIch habe mir einen Verdauungsspaziergang anders vorgestellt“, konnte Herbert Kampmann seinen Frust nicht für sich behalten. „Ich hoffe, du bist jetzt zufrieden.“
    â€žIch mache uns nachher eine schöne Tasse Tee und dazu gibt es die Schokokekse, die ich heute Morgen im Lädele gekauft habe“, versuchte seine Frau ihn zu besänftigen, auch wenn sie wusste, dass es ihr kaum gelingen würde.
    â€žUnd wenn wir in Witznau sind, fahren wir auf jeden Fall mit dem Bus zurück nach Nöggenschwiel“, bestimmte er mit energischem Ton und musste aufpassen, dass der Wind seine Mütze nicht fortwehte.
    â€žDer braucht aber ...“
    â€žKeine Widerrede“, fiel der Finanzbeamte im Ruhestand seiner Frau ins Wort. Er duckte sich noch ein wenig mehr, um dem Wind so gut wie eben möglich nur eine geringe Angriffsfläche zu bieten.
    Gut einen Kilometer weit war der Weg noch geteert, ehe er in einer Senke zu einem Schotterweg und dann zu einem Waldweg wurde. Während normalerweise auf den Feldern links und rechts immer mal wieder ein Traktor, ein Pflug oder Kühe zu sehen waren, ließen sich an diesem verregneten Morgen weder Mensch noch Tier blicken.
    Irgendwie unheimlich, dachte Luise Kampmann und ein kalter Schauer lief ihr den Rücken hinunter.
    â€žGrauts dir auch so wie mir?“, fragte sie ihren Mann und ihre Besorgnis stieg.
    â€žNein, warum auch? Stell dich nicht so an, Luise. Du siehst noch Gespenster“, wiegelte Herbert Kampmann ab und beschleunigte seinen Schritt.
    Dunkel türmten sich die Bäume vor ihnen auf. Der Wind blies selbst in dieser Talsenke enorm und Luise merkte, wie die Feuchtigkeit so langsam ihre Beine hochkroch.
    Hätte ich mich nur dicker angezogen, ärgerte sie sich über sich selbst und versuchte dabei, sich noch stärker in ihr Regencape und das Twinset aus Kaschmir, das sie darunter trug, einzumummeln.
    Sie freute sich jetzt schon auf die Tasse Rooibostee und die Schokokekse. Aber vielleicht musste sie darauf gar nicht bis zu ihrer Rückkehr nach Nöggenschwiel warten. Denn wie sie von ihrer Vermieterin Roswitha Villinger gehört hatte, sollte es in dem kleinen, urigen Café direkt an der Kreisstraße in Witznau einen herrlichen Kirschstreusel mit Sahne geben – sofern das Café heute überhaupt geöffnet hatte. Auf jeden Fall lief ihr schon allein bei dem Gedanken daran förmlich das Wasser im Munde zusammen.
    Nach einer letzten Biegung lag nun der Witznaustausee vor ihnen. Tief dunkel, fast schwarz, umrahmt von hohen Fichten und ausladenden Weiden, bot der See eine ganz eigene Welt. Eine unheimliche Welt, wie Luise Kampmann empfand.
    â€žDer See sieht gespenstig ruhig aus, dafür, dass es so windig ist“, bemerkte sie und versuchte mit ihrem Mann Schritt zu halten. Dabei musste sie gehörig gegen die teilweise starken Böen ankämpfen. Pflanzen und Büsche wurden vom Wind hin- und hergepeitscht, Luise Kampmann fand jedoch keinen Blick für sie. Zu sehr ärgerte sie sich über sich selbst.
    Hätte ich bloß meinen vorlauten Mund gehalten, unbedingt spazieren gehen zu wollen, schimpfte sie in Gedanken wie ein Rohrspatz. Erst der Regen, dann der Wind und nun auch noch diese gespenstische Atmosphäre, dass man grad schaudern möchte!
    Es war einfach nicht ihr Tag, der ja schon so komisch und irgendwie auch unwirklich begonnen hatte, als sie von diesem Mann an der Kirche erschreckt worden war. Wie

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