Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Und nie sollst du vergessen sein

Und nie sollst du vergessen sein

Titel: Und nie sollst du vergessen sein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joerg Boehm
Vom Netzwerk:
eingestehen.
    Aber was war hier in dieser Region auch schon groß los, überlegte er. Da ist man als Hauptkommissar völlig unterfordert. Einbrüche, Diebstähle und – wegen der nahen Schweizer Grenze – weiterführende Zolldelikte charakterisierten das Tagesgeschäft. Flächendeckende Drogenrazzien und Ermittlungen wegen Menschenhandels stellten da schon eine interessante, wenn auch viel zu selten eintretende Abwechslung dar. „Hier, schwarz und nur mit einem Würfel Zucker“, sagte Stefan Alt, der fröhlich vor sich hin pfeifend ins Büro schlenderte. Sein weißes Hemd leicht aufgeknöpft, dazu eine dunkelblaue Jeans und eine trendig gestylte Frisur – der hoch aufgeschossene, athletische Mann mit südländischem Einschlag wusste, dass er nicht nur bei den Frauen auf dem Revier gut ankam. Das hätte es bei uns früher nie gegeben, grämte sich Karl Strittmatter über das Aussehen seines 25 Jahre jüngeren Partners für dieses Wochenende.
    Er selbst war wie immer eher bieder angezogen. Graue Stoffhose, blaues Hemd mit konservativem Kentkragen und eine Strickjacke in einem undefinierbaren Braun, die schon bessere Tage gesehen hatte. Sein 3-Tage-Bart passte perfekt zu seinem kurzen, wenn auch etwas verwuschelten Haarschnitt, und man konnte den Eindruck gewinnen, Karl Strittmatter sei eher ein alternativer Alt-68er als ein gehobener Beamter, der spießiger in seiner Ausrichtung, Gedankenwelt und Lebenseinstellung nicht sein konnte.
    â€žDanke“, grummelte er und genoss den ersten Schluck, um im nächsten Augenblick darüber zu fluchen. „Mann, ist der heiß.“
    â€žNoch wird kein Kaffee kalt gebrüht“, antwortete Alt.
    â€žJaja, Herr Neunmalklug, oder besser, Herr Altklug.“
    Stefan Alt wollte gerade etwas kontern, als das Telefon die leicht gespannte Stimmung unterbrach.
    Wir sind noch nicht fertig, dachte er und nahm nach dem zweiten Klingeln den Hörer ab. „Kriminalpolizei Waldshut, Kommissar Stefan Alt. Guten Morgen.“
    Was er dann hörte, hatte der 34-Jährige in seiner bisherigen Dienstzeit noch nicht erlebt. Eifrig notierte der gebürtige Freiburger mit, was ihm jemand durch das Telefon mitteilte.
    Strittmatter, der anfangs die Mitschrift für albern hielt und als Profilneurose seines Partners abstempelte, wurde hellhörig, als er mitbekam, dass dann doch etwas Schreckliches passiert sein musste.
    â€žWir kommen sofort“, hörte er Stefan Alt noch sagen, der den vom Anrufer genannten Ort noch aufschrieb, ehe er mit einem „Bis gleich!“ endete.
    â€žDas war der Kollege von der Streife. Ein Ehepaar hat am Witznaustausee eine Männerleiche gefunden“, berichtete er. „Also, worauf wartest du noch. Keine großen Reden halten, sondern ab und in den Sattel geschwungen“, entgegnete Strittmatter, packte seine Sachen zusammen, griff nach seiner Jacke und den Autoschlüsseln und ging zielstrebig und ungewöhnlich motiviert aus dem Raum.
    Nie kann man es dem alten, verknötterten Sack recht machen, dachte Stefan Alt, der im gleichen Moment an seine Mutter denken musste, die ihn für diese Worte auf der Stelle ermahnt hätte.
    Eine Männerleiche, vielleicht sogar ein Gewaltverbrechen. Dass ich so etwas auf meine letzten Tage noch erleben darf, freute sich Strittmatter auf diesen Einsatz, auch wenn er wusste, dass damit die Sportschau erst recht ohne ihn stattfinden würde.

dreizehn
    Das Gebiet rund um den Witznaustausee entlang der geteerten Straße zum Umspannwerk war großräumig abgesperrt. Ein Streifenwagen stand in der Ortsmitte der kleinen Ansiedlung Witznau, die außer einer alten Mühle, in der das Café untergebracht war, zwei Bauernhäusern, ein paar Scheunen in unterschiedlichen Größen und einer Bushaltestelle nichts mehr zu bieten hatte.
    Zwei weitere Einsatzwagen der Polizei parkten am Uferrand, als Karl Strittmatter und Stefan Alt kurz vor 11 Uhr die Geschwindigkeit ihres silbernen Kombis drosselten. Sie kamen erst direkt an der abschüssigen Uferböschung zum Stehen.
    Der See lag bedächtig vor ihnen, vereinzelt wehte eine leichte Böe vom Wald herüber. Während die wenigen Laubbäume, die zwischen den schlanken Fichten zu sehen waren, schon ihr Blätterkleid verloren hatten, sahen die Nadelhölzer in ihrem dichten und dunklen Gewand noch bedrohlicher aus als sonst. Stefan Alt vernahm, als er

Weitere Kostenlose Bücher