Und nie sollst du vergessen sein
und lieà die beiden Kommissare seine chronische Unlust, an einem freien Wochenende in die Dienststelle kommen zu müssen, so sehr spüren, dass Karl Strittmatter nicht weiter in das Geplänkel seines jüngeren Kollegen einstimmen wollte, sondern gleich zur Sache kam.
Nachdem er dem Kriminalrat den bisherigen Stand der Dinge in kurzen Sätzen vorgetragen hatte, wartete Strittmatter einige Momente ab, um sich bereits innerlich auf die Fragen seines Vorgesetzten vorzubereiten. Dabei griff er beherzt in die Keksdose, um sich gleich mit mehreren Butterkeksen zu stärken. Wie gut, dass Bannholzer eine allseits umsorgende Mutter hat, die ihn nie verhungern lassen würde, selbst wenn er in einer Vorratskammer wohnen würde, dachte er mit einem Grinsen und biss so kräftig von einem Keks ab, dass ein leichter, aber deutlich sichtbarer Krümelregen auf sein anthrazitfarbenes Hemd niederging.
âWenn es Mord war, muss es Menschen geben, die ein Motiv haben, um selbst dieser armen Seele noch nach dem Leben zu trachten. Hatte er Feinde oder gab es jemanden, der einen Grund hatte, ihn aus dem Weg zu räumen?â, fragte Bannholzer, der sich â von Strittmatters Kekskrümelei leicht angewidert â wieder seiner Büroklammer widmete.
âSoweit wir bisher in Erfahrung bringen konnten, hatten Franz Marder und Reinhold Nägele einen Tag vor dem Mord einen heftigen Streit, den zufälligerweise die Verkäuferin aus dem Tante-Emma-Laden, Maria Reisinger, mitbekommen hatâ, antwortete Stefan Alt, der das Wort âzufälligerweiseâ so sehr betonte, dass Bannholzer von seiner mittlerweile völlig verbogenen Büroklammer aufschaute und Alt dabei erwartungsfroh ansah, die bisher gesammelten Ergebnisse weiter darzulegen.
âMit diesem Sachverhalt haben wir dann im Anschluss Reinhold Nägele konfrontiert, der den Streit herunterspielte. Er sprach von einer kleinen verbalen Auseinandersetzung. Und die habe lediglich darauf beruht, dass Franz Marder sich nach dem Tod seiner Frau nur noch habe gehen lassen und sein gesamtes Vermögen in den Alkohol investierte. Und anstatt seine â also Nägeles â Hilfe anzunehmen, habe das Opfer nichts Besseres zu tun gehabt, als ihn, also den Nägele, mit irgendwelchen hypothetischen und wohl auch frei erfundenen Märchen über das Verschwinden von Charlotte zu belästigen.â
âCharlotte?â
âCharlotte Nägele, Reinhold Nägeles Tochter. Sie ist seit 15 Jahren spurlos verschwunden.â
âWar das die kleine Brünette, die in der Nacht, in der sie zur Rosenkönigin gekürt worden ist, angeblich mit ihrem Freund durchgebrannt sein soll?â, fragte Bannholzer, der zwar Stefan Alt anschaute, die Frage aber doch eher an Karl Strittmatter richtete.
Noch kauend und mit deutlich hörbarem Schmatzen â was Franz-Josef Bannholzer mit einem ärgerlichen Blick quittierte â antwortete Strittmatter: âRichtig. Wobei ...â Er hielt inne und fischte in seinem Schoà nach einem Stück Keks. âÃh, also, die Dörfler sagen sogar, dass sie eine Miss Etepetete war, die ihren Abschied von langer Hand geplant haben soll, weil sie das triste Leben in Nöggenschwiel so satthatte. Und das kann ich nur zu gut verstehen.â
âStrittmatter, bleiben Sie sachlich.â
âNa ja, der Alte, äh, ich meine ihr Vater wollte und will an diese Version nicht glauben, weswegen wir damals tagelang durch die Wälder und Täler gekraxelt sind in der Hoffnung, sie zu finden.â Karl Strittmatter erinnerte sich mit Unmut an den extrem heiÃen Sommer 1997 und die sehr aufwendige und zeitintensive Suche zurück, die sich fast zwei Wochen lang hingezogen hatte und bei der sogar die Schweizer Kollegen mit einbezogen worden waren.
Dabei war man nach der ganzen Aktion genauso weit wie vorher gewesen. Selbst die feinen Nasen der Spürhunde hatten nichts erschnüffeln können. Und auch der Einsatz des Hubschraubers mit der Wärmebildkamera â es war übrigens der erste Einsatz des neuen Helikopters des Freiburger Regierungspräsidiums â hatte keinen Erfolg gebracht.
Nur Karl Strittmatter war erfolgreich gewesen. Wenn auch nur minimal, wenn man die GröÃe seiner neuen Freunde als MaÃstab des Erfolgs nahm. Gleich fünf Zecken hatten sich seinen Körper zum Blutsaugen ausgesucht, als er mit kurzen Hosen durch das dichte Gehölz des
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