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Und nie sollst du vergessen sein

Und nie sollst du vergessen sein

Titel: Und nie sollst du vergessen sein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joerg Boehm
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fettreduzierter Kost – ein Ratschlag, den sie dank ihrer Kochkünste und der Küchenhoheit leicht befolgen konnte – viel Bewegung und vor allem wenig Stress.
    Ob ich jetzt also ausnahmsweise einmal 15 Minuten später bei ihm bin als sonst, ist sicher nicht so schlimm, als wenn mich hier ein Herzinfarkt dahinrafft und niemand bekommt es mit. Denn dann hat er niemanden mehr, der für ihn putzt, überlegte sie und verlangsamte ihren raschen Schritt, um endlich mal wieder vernünftig Luft zu holen.
    Den Blick schweifend ging sie die Hofeinfahrt entlang und beobachtete dabei, wie sich eine Amsel mit einem langen Regenwurm abmühte, der noch halb im Erdreich des Vorgartens steckte und sich mit einer schier ungeheuren Widerstandskraft dem vom Körpergewicht mehr als hundertfach überlegenen Feind entgegenstemmte. Etwas weiter entfernt, im Unterholz einer Weißdornhecke, raschelte ein Eichhörnchen, das, als Silvia Trötschler näher kam, urplötzlich mit seiner akribischen Suche nach Essbarem aufhörte und in Windeseile den Stamm einer jungen Weidbuche hochkletterte, um dann über die ausladende und fast blätterlose Krone davonzuhuschen.
    Was wohnen wir doch inmitten einer friedlichen Idylle, sinnierte sie, als ihr Blick an den heruntergelassenen Rollläden ihrer Nachbarin Maria Reisinger hängenblieb.
    Komisch, sonst ist Maria doch immer die Erste, die morgens früh auf den Beinen ist, noch vor meinem Mann, dachte sie und ging den das halbe Grundstück umfassenden Bürgersteig langsam weiter in der Hoffnung, dass die Rollläden an der von der Straße abgewandten Seite bereits hochgezogen waren.
    Aber auch das Küchenfenster war verdunkelt. Ebenso das Schlafzimmer im ersten Stock. Habe ich etwas nicht mitbekommen und sie ist für mehrere Tage zu ihrer Schwester nach Stuttgart gefahren?, überlegte sie wie wild. Aber ganz gleich, welche Möglichkeit sie auch in Betracht zog, Silvia Trötschler war sich sicher, dass Derartiges bei ihrer Nachbarin nicht auf dem Plan gestanden hatte. Dafür waren die beiden Frauen viel zu vertraut, als dass eine von beiden nicht gewusst hätte, was bei der anderen gerade vor sich ging.
    Vielleicht schläft sie heute einfach etwas länger, grübelte Silvia Trötschler, um im gleichen Moment diesen Gedanken zu verwerfen, da Maria Reisinger nie später als sieben Uhr aufstand, um noch etwas vom Tag zu haben, wie sie immer betonte, wenn sich das Gespräch mal um das für Silvia Trötschler so wichtige, aber leider auch selten erfüllbare Ausschlafen drehte.
    Ein mulmiges Bauchgefühl machte sich plötzlich in ihr breit und vor innerer Anspannung ging ihr Puls schneller. Unsicher schaute sie sich um, aber außer dem blinkenden Müllfahrzeug, das gerade weiter unten um die Straßenecke bog, um sich mit seinem elektrischen Greifarm die graue Restmülltonne der Familie Gruber zu holen, war weit und breit nichts und niemand zu sehen.
    Das gefällt mir alles nicht, und auf meine Intuition konnte ich mich bisher immer verlassen, dachte sie und fasste dabei den Entschluss – auch wenn sie nun noch später zu Reinhold Nägele kommen sollte –, bei ihrer Nachbarin nach dem Rechten zu sehen.
    Als sie die Haustür erreicht hatte, schaute sie angestrengt durch das dunkle Milchglas. Doch durch die leichte Wölbung der einzelnen Glaselemente der schweren Eichentür konnte sie nichts von dem ihr so bekannten schmalen Flur erkennen.
    Mehrmals drückte sie die Klingel, aber nichts rührte sich. Sie hörte weder Schritte auf der Treppe noch eine Tür, die rasch geöffnet wurde, weil man sehen wollte, wer geschellt hatte. „Maria?“, fragte Silvia Trötschler und sah dabei wie hilfesuchend noch einmal durch die dunklen Fenster der Tür, die bereits leicht von ihrem Atem angelaufen waren. Plötzlich hörte sie ein Rascheln. Erschrocken drehte sie sich um, doch das Geräusch, das sie Bruchteile einer Sekunde zuvor noch vernommen hatte, war nicht mehr da.
    Angespannt hörte sie in den Morgen hinein. Da war es wieder. Hastig und leicht ängstlich schaute sie sich um. Doch weder hinter ihr in der Hecke noch in den Blumenkästen oder unter dem Laub auf der Wiese bewegte sich etwas, das dieses Rascheln verursacht haben könnte. Zögerlich ging sie einen Schritt zurück, als sie sah, wie sich eine Blaumeise in der Dachrinne zu schaffen machte und dabei immer wieder

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