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Und nie sollst du vergessen sein

Und nie sollst du vergessen sein

Titel: Und nie sollst du vergessen sein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joerg Boehm
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laufen und am Gasthof Kranz, der über den tiefsten Punkt des Ortes wachte, nach rechts abbiegen, vorbei an einer alten Scheune und immer weiter die Straße hinauf. Er hätte auch die Abkürzung über den Friedhof nehmen können. Aber das wäre einem schlechten Omen gleichgekommen.
    So nahm er lieber einen Umweg in Kauf. Er, der gerne an der frischen Luft war, genoss regelrecht die Stille und Einsamkeit, die, obwohl der alte Tag noch nicht zu Ende gegangen war, typisch war für diesen Ort. Denn nachdem es gegen 17 Uhr bereits schwarz wie die Nacht war, traute sich keiner mehr vor die Tür. Fast so, als ob draußen der Tod lauern würde. Irgendwie ist es ja auch so, dachte er und fühlte sich allmächtig, obwohl auch er nur ein Sterblicher unter Gottes weitem Firmament war.
    Aber seine Zeit war noch nicht abgelaufen. Dessen war er sich sicher. Genauso sicher, wie er wusste, dass dafür in dieser Nacht und – sollte alles gut gehen – sogar noch heute für jemand anderen die Zeit gekommen war, Adieu zu sagen. Nicht ganz freiwillig, musste er sich eingestehen. Aber für Menschen, die in entscheidenden Situationen einfach nicht ihren vorlauten Mund halten konnten und immer alles wissen wollten, lief die Zeit eben etwas schneller ab.
    Eine innere Zufriedenheit ebenso wie eine sich langsam steigernde Anspannung machten sich breit, als er vor seinem Ziel angekommen war.
    Auch dieses von außen so gepflegte Gebäude lag bereits in tiefem Schlaf. Die Fenster, die man von der Straße aus einsehen konnte, waren dunkel. Er wusste, es war die Zeit, in der die Bewohnerin schon seit mindestens einer Stunde fest schlafen und niemals mit einem so späten Besucher rechnen würde. Wie selbstverständlich spielte er mit dem Seil in seiner Jakkentasche. Es war sein Instrument, mit einem kräftigen Griff das Leben zu beenden. Es auszulöschen. Für immer.
    Jeden Schritt abwägend ging er zum Seiteneingang, an dem sich Treppe zum Keller befand. Unten angekommen bemerkte er mit Freude, dass die schwere Kellertür nicht abgeschlossen war und er sich leicht Zutritt ins Haus verschaffen konnte.
    Da fühlt sich jemand aber besonders sicher, dachte er, und ein Grinsen umspielte seine Mundwinkel. Erst jetzt registrierte er, dass irgendwo im Haus Wasser lief. Als er die Tür zum Innenraum öffnete, wäre er fast über eine Katze gestolpert, die, überrascht ob des späten Besuchers, an der Tür gewartet hatte und gerne mit Streicheleinheiten begrüßt worden wäre.
    Jetzt nicht, du blöde Mieze, trat er die Katze leicht mit der Fußspitze zur Seite, die diesen rauen Umgang mit einem fürchterlichen Gejaule quittierte. „Du machst mir noch alles kaputt.“ Vor Wut nahm er die Katze und sperrte sie in den nächstbesten Raum, der, wie er mit einem kurzen Blick feststellte, sich als Heizungskeller entpuppte. Darin verrichtete eine große und laut brummende Gasheizung ihre Aufgabe. Der ideale Ort für ungezogene Viecher, dachte er und musste das Tier mit Gewalt von seiner Hand lösen. Die Krallen der rechten Vorderpfote hatten sich in den Lederhandschuh gebohrt, und er war froh, seine Handschuhe angezogen zu haben.
    Nachdem er sich um die Katze gekümmert hatte, stieg er – jetzt schon etwas schneller – die Treppe hinauf. Das Wasserrauschen kam aus dem ersten Stock, und so erklomm er also auch noch die nächste Treppe, die mit grünen Stufenbahnen ausgelegt war. Vor dem Badezimmer machte er noch einmal Halt, holte tief Luft und trat ein. Die Frau war mit dem gesamten Oberkörper über die Badewanne gebeugt, massierte ein Shampoo mit der linken Hand in ihre Haare, während sie mit der rechten Hand die Brause in Richtung Kopf hielt. Feine Schaumbahnen liefen ihr den linken Unterarm hinunter, trafen sich am Ellenbogen, um dann als Zusammenfluss in die Wanne zu plätschern.
    Ein Lächeln huschte über sein Gesicht. So einfach habe ich es mir gar nicht vorgestellt, dachte er und sein Blick haftete für den Bruchteil einer Sekunde am Duschschlauch. Er schob das Seil wieder zurück in die Tasche, ehe er ins Badezimmer trat. Sie wollte gerade den Wasserhahn abdrehen und sich aufrichten, da stand er plötzlich hinter ihr. Mit beiden Händen nahm er den Schlauch der Brause, wand ihn um ihren Hals und zog mit aller Kraft an beiden Enden. Während sie mit ihren Händen nach dem Schlauch griff, ihr Körper sich gegen das

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