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Und Nietzsche lachte

Und Nietzsche lachte

Titel: Und Nietzsche lachte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Quarch
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Besiegelung?«
    Das Ideal des übermütigsten, lebendigsten und weltbejahendsten Menschen – es ist dann verwirklicht, wenn der Mensch diesem schwergewichtigen Gedanken standhält: »Alles kommt genauso wieder, wie es jetzt ist!« Denn nur dann wird sein »Ja!« zum Leben und sein »Ja!« zum Leiden so tief und fest sein, dass es auch in den finstersten Stunden Bestand hat. Diese Festigkeit und Tiefe wird der Mensch nur erlangen, wenn er es wirklich will; wenn er sich selbst verwandeln will – sich selbst machen will; wenn ein »Wille zur Macht« in ihm mächtig ist, der unbeirrt das Leben nach seinem eigenen Bilde schaffen will. Der übermütigste, lebendigste und weltbejahendste Mensch – der Übermensch – ist einer, der sich selbst in seinem So-Sein will, will und nochmals will. Und der die Macht und den Mut aufbringt, sich und seine Welt mit kraftvoller Hand so zu formen, dass aus der Tiefe seines Herzens dieses unendliche »Ja!« und »Da capo!« aufsteigen. Er ist einer, der sich selbst schafft und darin sich und seinen Sinn erfindet – weil er an einen Sinn, der gefunden werden könnte, schon lange nicht mehr glaubt.
    Der Weg dorthin ist mühsam und schmerzvoll. Auch davon lässt Nietzsche seinen Zarathustra künden: »Schaffen – das ist die große Erlösung vom Leiden, und des Lebens Leichtwerden. Aber dass der Schaffende sei, dazu selber tut Leid not und viel Verwandlung. Ja, viel bitteres Sterben muss in eurem Leben sein, ihr Schaffenden! Also seid ihr Fürsprecher und Rechtfertiger aller Vergänglichkeit. […] Manchen Abschied nahm ich schon, ich kenne die herzbrechenden letzten Stunden. Aber so will’s mein schaffender Wille, mein Schicksal. Oder, dass ich’s euch redlicher sage: solches Schicksal gerade – will mein Wille. Alles Fühlende leidet an mir und ist in Gefängnissen: aber mein Wollen kommt mir stets als mein Befreier und Freudebringer. Wollen befreit.«
    »Viel bitteres Sterben« – darunter geht es nicht. Aber die Verheißung ist leuchtend: »Da capo!« Ein Sinn, der trägt, ein Leben, das sich bejaht; das sein Schicksal nicht beklagt, sondern annimmt, weil es sein Schicksal annehmen will . Weil es sich auf diese Weise immer neu erschafft und immer schon geschaffen hat. Geschaffen vom Willen zur Macht, geprüft durch das Schwergewicht des Gedankens der ewigen Wiederkehr, wahrhaftig darin, dass es sich nicht darüber täuscht, dass alle früheren Werte, alle dogmatische Wahrheit und aller verheißene Sinn vom Menschengeist ersonnen wurden. Nicht auf der zerbrechlichen Illusion, der Sinn des Lebens werde in Gott, Bestimmung, Zweck oder moralischem Gut-Sein gefunden, baut Nietzsches Sinn der Erde auf. Nicht darauf, dass dieses Leben von Gott, der Vernunft oder sonst wem gewollt ist – sondern allein darauf, dass es von dem gewollt ist, der es führt ; und dass der, der es führt, es so erfindet, gestaltet und schafft, dass es seinem Bilde entspricht.
    Die Ästhetik der Existenz – Wilhelm Schmids Lebenskunst
    Nietzsches Lebenskunst mit all ihren Übermenschen und Willensmächtigen – sie kommt doch reichlich schroff daher. Archaisch und wild, so dass sie viele feinere Geister abschreckt. »Muss es denn gleich so dicke sein?«, fragen sie. »Müssen wir wirklich so radikal ›da capo‹ rufen, auch zum Leiden und das auch noch bis in alle Ewigkeit hinein?« Nun, sollte Nietzsches Gepolter auch in Ihren Ohren rau scheppern, dann habe ich etwas anderes für Sie: eine urbanisierte Variante des urwüchsigen Nietzsche, wenn man so will. Sie heißt »Philosophische Lebenskunst«, und ihr führender Exponent ist der zeitgenössische Philosoph Wilhelm Schmid – womit wir endlich im 21. Jahrhundert angekommen wären, denn Lebenskunst à la Schmid steht heutzutage hoch im Kurs. Aber worum geht’s dabei?
    Es geht um ein philosophisches Programm der Sinnstiftung nach dem Tode Gottes. Zwar würde Schmid sich scheuen, solch machtvolle Worte in den Mund zu nehmen, aber in der Sache läuft es darauf hinaus: »Wo einst nur vorgedachte und vorgegebene Antworten zu übernehmen waren [also zu »Lebzeiten« Gottes], kommt der Einzelne nicht mehr umhin, selbst zu suchen und zu finden – das ist der Preis moderner Freiheit. Zur Notwendigkeit wird nun die Arbeit, selbst das Leben zu deuten und zu interpretieren.« Das können wir mittlerweile gut verstehen: Wo nicht mehr damit gerechnet wird, eine von Gott vorgesehene oder angeordnete Bedeutung des Lebens zu finden, da müssen wir selber ran und für

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