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Und Nietzsche lachte

Und Nietzsche lachte

Titel: Und Nietzsche lachte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Quarch
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irdisches, vergängliches, leibliches Leben ist. Und vor allem: dass wir der Wahrheit des Lebens nur dann Genüge tun, wenn wir es in seiner Leiblichkeit, Vergänglichkeit und Zerbrechlichkeit bejahen; wenn wir uns zu Fürsprechern des Leidens machen und uns nicht mit der verlogenen, wenn auch tröstenden Illusion eines leidfreien Lebens im Jenseits aus dem Diesseits davonstehlen. Als Sinn der Erde muss der Mensch sich den Sinn seines Lebens schaffen – erkämpfen.
    Doch dafür muss er aufräumen mit all dem Unsinn, den Philosophen und Religionen bislang predigten. »Immer vernichtet, wer ein Schöpfer sein muss«, sagt Nietzsche. Immer muss Altes überwunden werden, damit ein neuer Sinn als Sinn der Erde geschaffen werden kann. Und solche, die dies zuwege bringen – solche, die die Ketten der alten Sinnverheißungen, Wertsetzungen oder Wertschätzungen sprengen und sich selbst über winden –, solche nannte er »Übermenschen«. »Der Übermensch ist der Sinn der Erde. Euer Wille sage: der Übermensch sei der Sinn der Erde!« lässt er Zarathustra rufen. Was so viel heißt wie: Wenn ihr den Sinn des Lebens wollt – wohlan, so werdet Übermenschen: so setzt die Werte neu! Setzt sie so, dass ihr das Leben bejaht, das Leiden bejaht, den Leib bejaht, die Endlichkeit bejaht!
    »Tot sind alle Götter: nun wollen wir, dass der Übermensch lebe!« Das ist Nietzsches Programm der Sinnstiftung! Das ist es, was er dem Christentum und dem Platonismus, ebenso aber auch dem Buddhismus und der Philosophie Schopenhauers entgegenschleuderte – diesen, wie er sagte, »weltverneinendsten aller möglichen Denkweisen«; weil sie all denen Recht geben, »welche am Leben wie an einer Krankheit leiden und es durchsetzen möchten, dass jede andere Empfindung des Lebens als falsch gelte und unmöglich werde«. Diesen großangelegten Verneinungsstrategien, deren Perversion für Nietzsche darin bestand, den Sinn des Lebens ausgerechnet in der Ablehnung des Lebens zu predigen, ihnen schleuderte er sein so ganz anderes Ideal entgegen: »das Ideal des übermütigsten, lebendigsten und weltbejahendsten Menschen, der sich nicht nur mit dem, was war und ist, abgefunden hat, sondern es, so wie es war und ist, wieder haben will, in alle Ewigkeit hinaus, unersättlich da capo rufend, nicht nur zu sich, sondern zum ganzen Stücke und Schauspiele, und nicht nur zu einem Schauspiele, sondern im Grunde zu dem, der gerade dies Schauspiel nötig hat – und nötig macht: weil er immer wieder sich nötig hat und nötig macht.« Will sagen: zu sich selbst.
    Damit ist Nietzsches Projekt einer Lebenskunst entworfen: einer Lebenskunst, der es nur um eines geht: das Leben zu bejahen, »da capo« zu sich und zur Welt im Ganzen zu rufen, »noch einmal«, immer wieder. Das ist eine Lebenskunst, die ein solch tiefes und tragendes »Ja!« auf die Lippen des Menschen zaubert, dass es selbst der schwersten Prüfung standhält, der Nietzsche meinte, es unterziehen zu müssen, um seine Echtheit zu prüfen – der Prüfung durch den Gedanken der ewigen Wiederkehr. Von ihr handelt der Abschnitt 341 seiner Fröhlichen Wissenschaft :
    »Das größte Schwergewicht. – Wie, wenn dir eines Tages oder Nachts ein Dämon in deine einsamste Einsamkeit nachschliche und dir sagte: ›Dieses Leben, wie du es jetzt lebst und gelebt hast, wirst du noch einmal und noch unzählige Male leben müssen; und es wird nichts Neues daran sein, sondern jeder Schmerz und jede Lust und jeder Gedanke und Seufzer und alles unsäglich Kleine und Große deines Lebens muss dir wiederkommen, und Alles in derselben Reihe und Folge – und ebenso diese Spinne und dieses Mondlicht zwischen den Bäumen, und ebenso dieser Augenblick und ich selber. Die ewige Sanduhr des Daseins wird immer wieder umgedreht – und du mit ihr, Stäubchen vom Staube!‹ – Würdest du dich nicht niederwerfen und mit den Zähnen knirschen und den Dämon verfluchen, der so redete? Oder hast du einmal einen ungeheuren Augenblick erlebt, wo du ihm antworten würdest: ›du bist ein Gott und nie hörte ich Göttlicheres!‹ Wenn jener Gedanke über dich Gewalt bekäme, er würde dich, wie du bist, verwandeln und vielleicht zermalmen; die Frage bei Allem und jedem ›willst du dies noch einmal und noch unzählige Male?‹ würde als das größte Schwergewicht auf deinem Handeln liegen! Oder wie müsstest du dir selber und dem Leben gut werden, um nach Nichts mehr zu verlangen, als nach dieser letzten ewigen Bestätigung und

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