Und Nietzsche lachte
wäre das »sieghafte ›Ja!‹« tatsächlich ein Produkt seines Willens gewesen; so wie Nietzsche und Schmid es deuten.
Aber dieses »Ja!« ist eben nicht gemacht. Es ist einfach da – kommt aus dem Nichts. Ganz wie das Licht in dem fernen Gehöft scheint es im Dunkeln plötzlich auf. Beinahe eine göttliche Erscheinung, eine Theophanie. Beinahe? Aber war Gott denn nicht tot?
»Gott ist tot, Gott bleibt tot, und wir haben ihn getötet«, sagt Nietzsche. Und scheint damit Recht zu behalten. Zumindest haben uns die klassischen Sinndeutungen aus Metaphysik und Moral nicht vollends befriedigt. Und auch die säkularisierten Varianten, wie wir sie bei den Utilitaristen oder bei Kant gefunden haben, erwiesen sich als ungeeignet, wenn es darum geht, uns verständlich zu machen, was es mit diesem großen »Ja!« auf sich hat, das nach Frankls Erfahrung nachhaltig durchs Leben trägt. Kurz: Alle Theorien, denen zufolge Sinn als objektive und absolute Realität gefunden werden kann, griffen ins Leere. Genauso griffen aber auch diejenigen Theorien ins Leere, die uns weismachen wollten, Sinn müsse von uns selbst erfunden werden. Was nun?
Aporie! Jetzt oder nie – auf in andere Welten!
Tätärätä! Das ist die große Stunde der Philosophie! Was uns nun begegnet, nannten die Griechen eine Aporie – eine vermeintlich aussichtslose Situation. Wir wollen verstehen, was der Sinn des Lebens ist und wie wir ihn erfahren können. Und haben verschiedene Theorien angeschaut. Die einen sagen: Sinn ist etwas, das gefunden werden kann. Und die anderen behaupten: Sinn ist etwas, das erfunden werden muss. Und alle taugen sie nicht, um diese authentischste und intensivste Sinnerfahrung Viktor Frankls zu erklären. Da gibt es nur eins: Wir kommen so nicht weiter! Wir müssen noch einmal ganz von vorne anfangen. Denn irgendwo muss ein Denkfehler stecken.
Nun hätte ich dieses Buch nicht geschrieben, wenn ich nicht einen Vorschlag machen wollte, wie wir aus dieser Aporie herauskommen. Und den möchte ich Ihnen jetzt auftischen. Es ist auch gar nicht so schwer. Fragen wir doch einfach: Gibt es vielleicht eine gemeinsame Voraussetzung, die alle bislang betrachteten Theorien vom Sinn des Lebens verbindet? Haben sie – bei aller Unterschiedenheit – etwas gemeinsam, das sich womöglich als ihr Schwachpunkt erweist? Meine Antwort lautet: Ja, so ist es. Sie haben alle etwas gemeinsam – und diese Gemeinsamkeit rührt her von ihrem gemeinsamen Ursprung im jüdisch-christlichen Denken; egal, ob sie sich demgegenüber verneinend oder bejahend verhalten.
Erinnern wir uns: Für den Menschen der mythischen, moralischen und metaphysischen Zeit war klar, dass Gott der Garant des Sinns ist. Weil er die Welt und uns bejaht, sind die Welt und das Leben sinnvoll. Die Welt aber bejaht er, weil er sie will, und weil er sie will, schuf er sie; und uns bejaht er, so wir denn seinem Gebot Gehorsam leisten. Kurz: Weil Gott das Leben wollte und machte , ist das Leben sinnvoll. So dachte man einst. Und was blieb davon nach dem Tode Gottes – dem Ende von Mythos, Moral und Metaphysik? Es blieb: Wie ich das Leben will und mache , so ist das Leben sinnvoll. An Gottes Stelle trat der Mensch – aber es blieb dabei der Wille zum Machen, der den Sinn garantiert. Nun aber nicht mehr Gottes Wille zum Machen , sondern des Menschen Wille zur Macht . So oder so aber kommt heraus: Sinn ist etwas Gewolltes. Sinn ist etwas Gemachtes .
Und genau darin, behaupte ich, liegt das Problem. Es liegt darin, dass sich alle bislang betrachteten Theorien vom Sinn in einem Denken bewegten, für das der Sinn am Faden des Wollens und Machens hängt. Und mir scheint: Das liegt daran, weil dieses Denken sich auf je unterschiedliche Weise doch stets im Sog und Fahrwasser einer Sichtweise bewegte, die das höchste und größte Seiende – Gott – als einen Wollenden und Machenden vorstellte.
Und ich behaupte weiter: Wenn wir zu einer wirklich tragfähigen Theorie vom Sinn des Lebens kommen wollen – einer, die uns davor bewahrt, in Sinnfinsternis und existenzielle Leere zu verfallen –, dann müssen wir das Paradigma wechseln; dann müssen wir ausbrechen aus einer Denkweise, die unter dem Diktat der christlich-jüdischen Gottesvorstellung steht. Dann müssen wir dem wollenden und machenden Schöpfergott für einen Augenblick den Rücken kehren und uns anderen Göttern zuwenden. Solchen, die nicht durch ihren Willen definiert sind, auch nicht durch ihr Machen, sondern durch ihr
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