...und noch ein Küsschen!
fast. Donnerwetter, das sind zwei Prachtstücke.»
«Der hier unten ist miserabel gezielt.»
«Ist er bis zum Ende des Waschflurs gegangen, um seinen Anlauf zu nehmen?»
«Du hast einen extra bekommen, weil du gezuckt hast, nicht wahr?»
«Weiß der Teufel, der alte Foxley hat wirklich einen Pik auf dich, Perkins.»
«Es blutet ein bisschen. Wasch dich lieber, hörst du?»
Da ging die Tür auf, und Foxley erschien. Alle stoben auseinander, und jeder tat so, als sei er mit Zähneputzen beschäftigt oder spreche sein Gebet, während ich mit heruntergelassener Hose allein in der Mitte des Schlafsaals stand.
«Was ist denn hier los?», fragte Foxley und prüfte mit einem raschen Blick das Werk seiner Hände. «He, Perkins! Zieh dir gefälligst die Hose hoch und mach, dass du ins Bett kommst.»
Und das war das Ende des Tages.
In der Woche hatte ich nie Zeit für mich selbst. Foxley brauchte nur zu sehen, dass ich im Arbeitszimmer nach einem Roman griff oder mein Briefmarkenalbum aufschlug, und schon gab er mir irgendetwas zu tun. Einer seiner Lieblingsaufträge für mich, besonders wenn es draußen regnete, war dieser: «Ach, Perkins, ich glaube, ein paar wilde Schwertlilien würden sich auf meinem Schreibtisch ganz gut ausnehmen, meinst du nicht auch?»
Wilde Lilien wuchsen nur an den Teichen, den Orange Ponds. Um dorthin zu gelangen, musste man drei Kilometer auf der Landstraße und dann einen Kilometer querfeldein gehen. Ich zog den Regenmantel an, setzte den Strohhut auf, nahm meinen Regenschirm und brach zu dieser langen, einsamen Wanderung auf. Laut Vorschrift hatten wir im Freien stets einen Strohhut zu tragen. Stroh verträgt aber bekanntlich keinen Regen, folglich musste zum Schutz des Hutes der Schirm mitgenommen werden. Andererseits kann man sich keinen Schirm über den Kopf halten, wenn man auf dem Waldboden herumkriecht und Lilien sucht. Um den Hut zu schonen, legte ich ihn also am Ufer des Teichs unter den Regenschirm, bis ich die Blumen gepflückt hatte. Auf diese Weise erkältete ich mich sehr oft.
Aber der schrecklichste Tag war der Sonntag. Am Sonntag musste das Arbeitszimmer sauber gemacht werden. Wie gut erinnere ich mich an diese angsterfüllten Morgenstunden, an das wahnwitzige Staubwischen und Scheuern und dann das Warten auf Foxleys Inspektion.
«Fertig?», fragte er, wenn er kam.
«Ich … ich glaube, ja.»
Er schlenderte zu seinem Schreibtisch hinüber, holte einen weißen Handschuh aus der Schublade, zog ihn langsam über die rechte Hand und strich dabei jeden Finger einzeln glatt. Ich stand da und sah zitternd zu, wie er durch den Raum ging und mit dem weiß behandschuhten Zeigefinger über Bilderrahmen, Wandleisten, Regale, Fensterbretter und Lampenschirme fuhr. Ich konnte die Augen nicht von diesem Finger abwenden. Für mich war er ein Werkzeug des Schicksals. Fast immer gelang es ihm, irgendeinen winzigen Spalt zu entdecken, den ich übersehen oder an den ich vielleicht gar nicht gedacht hatte. Dann pflegte Foxley sich ohne jede Hast umzudrehenund jenes gefährliche kleine Lächeln zu lächeln, das keines war. Er hielt den weißen Finger hoch, damit ich die dünne Staubschicht sehen konnte, die darauf lag.
«Hm», sagte er dann. «Du bist also ein kleiner Faulpelz. Stimmt’s?»
Keine Antwort.
«Nun?»
«Ich war sicher, dass ich überall Staub gewischt hätte.»
«Bist du ein ungezogener kleiner Faulpelz, Ja oder nein?»
«J-ja.»
«Aber deinem Vater wäre es gewiss nicht recht, wenn wir dich so aufwachsen ließen. Dein Vater legt großen Wert auf gute Manieren, nicht wahr?»
Keine Antwort.
«Ich habe dich gefragt, ob dein Vater Wert auf gute Manieren legt.»
«Das … das kann schon sein.»
«Ich tue ihm also einen Gefallen, wenn ich dich bestrafe, nicht wahr?»
«Ich weiß nicht.»
«Ja oder nein?»
«J-ja.»
«Gut, dann treffen wir uns nach der Andacht im Umkleideraum.»
Der Rest des Tages verging in quälendem Warten.
Mein Gott, wie die Erinnerungen eine nach der anderen lebendig werden … Der Sonntag war auch der Tag, an dem wir nach Hause schreiben mussten. «Liebe Mami und lieber Papa! Vielen Dank für Euren Brief. Ich hoffe, es geht Euch beiden gut. Mir geht es gut, ich habe mich nur im Regen erkältet, aber das wird bald vorüber sein. Gestern haben wir gegen Shrewsbury gespielt und4 : 2 gewonnen. Ich habe zugeschaut. Foxley, der in unserem Haus Präfekt ist, hat eines von unseren Toren geschossen. Vielen Dank für den Kuchen. Herzliche
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