...und noch ein Küsschen!
vorbeiwollte, meinen Vater von hinten so heftig anstieß, dass er ihn fast zu Boden warf.
Mein Vater, ein kleiner, höflicher, würdiger Mann, drehte sich erstaunlich schnell um und packte den Schuldigen am Handgelenk.
«Bringt man euch in eurer Schule keine besseren Manieren bei, junger Mann?», fragte er.
Der Junge, der mindestens einen Kopf größer als mein Vater war, sah mit einem kalten Blick auf ihn herunter, lächelte arrogant und schwieg.
«Mir scheint», sagte mein Vater und erwiderte den Blick ebenso kalt, «dass eine Entschuldigung angebracht wäre.»
Aber der Junge stand nur da und sah mit diesem merkwürdigen arroganten Lächeln in den Mundwinkeln auf meinen Vater hinunter, während sein Kinn sich weiter und weiter vorschob.
«Du bist ein unverschämter und schlecht erzogener Bursche», fuhr mein Vater fort. «Ich kann nur hoffen und wünschen, dass du in deiner Schule eine Ausnahme bist. Ich lege nicht den geringsten Wert darauf, dass mein Sohn solche Manieren annimmt.»
Hier wandte der große Junge den Kopf in meine Richtung, und zwei kleine, kalte, ziemlich eng zusammenstehende Augen starrten auf mich herab. Ich ließ mich nicht einschüchtern; ich wusste damals noch nicht, welche Macht in Public Schools die älteren Schüler über die jüngeren haben. Um meinen Vater zu unterstützen, den ich liebte und achtete, hielt ich diesem Blick tapfer stand.
Mein Vater wollte noch etwas hinzufügen, aber der Junge drehte sich einfach um und schlenderte gemächlich den Bahnsteig entlang, bis er in der Menge verschwand.
Bruce Foxley vergaß diesen Zwischenfall nie. Es war natürlich mein besonderes Pech, dass ich – wie sich bei meiner Ankunft in der Schule herausstellte – zu demselben ‹Haus› gehörte wie er. Schlimmer noch, ich war in seiner Gruppe. Er absolvierte sein letztes Jahr, und er war Vertrauensmann – Präfekt, wie das bei uns hieß. In dieser Eigenschaft war er offiziell berechtigt, jeden Schüler der unteren Klassen zu verprügeln. Und da ich in seiner Gruppe war, wurde ich automatisch sein persönlicherSklave. Als Foxleys Kammerdiener, Koch, Dienstmädchen und Laufbursche war es meine Pflicht, darauf zu achten, dass er keinen Finger krumm machte, wenn es nicht unbedingt notwendig war. Ich kenne keine Gesellschaftsordnung, in der ein Diener so ausgebeutet wird, wie wir unglücklichen ‹Füchse› von den Präfekten der Schule ausgebeutet wurden. Im Winter musste ich mich sogar jeden Morgen auf die Toilette hocken – sie befand sich in einem ungeheizten Bretterverschlag –, um den Sitz anzuwärmen, bis Foxley kam.
Ich erinnere mich noch genau an seine schlaksige, lässig elegante Art, durch ein Zimmer zu schlendern. Wenn ihm ein Stuhl im Wege war, stieß er ihn um und überließ es mir, ihn aufzuheben. Er trug seidene Hemden und hatte immer ein seidenes Taschentuch im Ärmelaufschlag stecken. Seine Schuhe wurden von einem Mann namens Lobb angefertigt, der ebenfalls den Titel Hoflieferant führte. Es waren spitze Schuhe, und ich musste das Leder jeden Tag fünfzehn Minuten lang mit einem Knochen polieren.
Aber die schlimmsten Erinnerungen sind mit dem Umkleideraum verbunden.
Wie oft habe ich, ein schmaler, blasser Knirps, in Pyjama, braunem Kamelhaarmorgenrock und Pantoffeln an der Tür dieses riesigen Raumes gestanden. Eine helle elektrische Birne hing an einer Schnur von der Decke herab. Auf die Garderobenhaken an den Wänden waren schwarze und gelbe Fußballhemden gestülpt, denen ein durchdringender Schweißgeruch entströmte. Und die Stimme, diese scharfe, Endsilben verschluckende, Obstkerne spuckende Stimme sagte: «Na, wie viele sollen es diesmal sein? Sechs im Morgenrock oder vier ohne?»
Ich konnte mich nie überwinden, diese Frage zu beantworten. Ich stand nur da und starrte auf die schmutzigenDielen, schwindlig vor Furcht, unfähig, an etwas anderes zu denken als daran, dass dieser große Junge gleich anfangen würde, mich mit seinem langen, dünnen weißen Stock methodisch geschickt und mit offensichtlichem Vergnügen zu schlagen, bis ich blutete. Vor fünf Stunden hatte ich mich erfolglos bemüht, das Kaminfeuer in seinem Arbeitszimmer in Gang zu bringen. Ich hatte mein Taschengeld für eine Schachtel Spezialfeueranzünder ausgegeben, ich hatte die Kohlen mit einer Zeitung gefächelt, ich hatte auf den Knien gelegen und aus Leibeskräften geblasen – alles vergebens.
«Wenn du störrischer Bursche nicht antworten willst», sagte die Stimme, «dann muss ich
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