...und noch ein Küsschen!
Grüße, Euer William.»
Meist ging ich auf die Toilette, um meinen Brief zu schreiben, oder in die Stiefelkammer oder ins Badezimmer – irgendwohin, wo Foxley nicht war. Aber ich durfte darüber die Zeit nicht vergessen. Um halb fünf wurde Tee getrunken, und dann verlangte Foxley seinen Toast. Jeden Tag musste ich für ihn Toast machen. In der Woche wurden die Arbeitszimmer nicht geheizt, und dann drängten sich alle Schüler, die Toast für ihren Präfekten zu machen hatten, um das kleine Feuer in der Bibliothek, sodass es immer Kämpfe um einen einigermaßen günstigen Platz gab. Überdies musste ich darauf achten, dass Foxleys Toast erstens sehr kross, zweitens nicht angebrannt, drittens heiß und viertens rechtzeitig fertig war. Wurde eine dieser Bedingungen nicht erfüllt, so war das ein ‹strafwürdiges Vergehen›.
«He, du! Was soll das hier sein?»
«Es ist Toast.»
«Entspricht das tatsächlich deiner Vorstellung von Toast?»
«Ich … ich …»
«Du bist zu faul, ihn richtig zu machen, was?»
«Ich habe mir wirklich Mühe gegeben.»
«Weißt du, was einem faulen Pferd passiert, Perkins?»
«Nein.»
«Bist du ein Pferd?»
«Nein.»
«Na, jedenfalls bist du ein Esel – ha, ha. Kommt ungefähr auf eins heraus. Wir sprechen uns heute Abend.»
Ach, die Qual dieser Tage! Foxleys Toast anbrennen zu lassen war ein ‹strafwürdiges Vergehen›. Ebenso, zuvergessen, dass Foxleys Fußballstiefel geputzt werden mussten. Ebenso, Foxleys Fußballdress nicht aufzuhängen. Ebenso, Foxleys Regenschirm falsch herum einzurollen. Ebenso, die Tür ins Schloss zu werfen, wenn Foxley arbeitete. Ebenso, Foxleys Badewasser zu heiß einlaufen zu lassen. Ebenso, die Knöpfe auf Foxleys O. T. C.-Uniform nicht richtig blank zu reiben oder etwas von der blauen Metallpolitur auf den Stoff der Uniform zu schmieren. Ebenso, die
Sohlen
von Foxleys Schuhen nicht zu putzen. Ebenso, in Foxleys Arbeitszimmer auch nur die geringste Unordnung zu dulden. Wirklich, soweit es Foxley betraf, war ich selbst ein strafwürdiges Vergehen.
Ich warf einen Blick aus dem Fenster. Du meine Güte, ich musste eine ganze Weile vor mich hin geträumt haben. Noch nicht einmal meine
Times
hatte ich geöffnet. Foxley saß zurückgelehnt mir gegenüber und las die
Daily Mail.
Durch eine blaue Rauchwolke aus seiner Pfeife sah ich über der Zeitung die obere Hälfte seines Gesichts mit den kleinen hellen Augen, der gerunzelten Stirn und dem welligen, leicht öligen Haar.
Es war ein merkwürdiges, ein aufregendes Erlebnis, ihn nach all den Jahren wiederzusehen. Ich wusste, dass er mir nicht mehr gefährlich werden konnte, aber die alten Erinnerungen machten mir trotzdem zu schaffen, und ich fühlte mich keineswegs behaglich in seiner Gegenwart. Mir war zumute, als hätte man mich mit einem zahmen Tiger zusammen in einen Käfig gesperrt.
Was ist denn das für ein Unsinn?, fragte ich mich. Sei nicht so blöd. Du lieber Himmel, wenn du wolltest, könntest du ihm rundheraus sagen, was du von ihm hältst, und er hätte keine Möglichkeit, seine Wut an dir auszulassen. Halt – das war eine Idee!
Nur … nun ja … lohnte es sich überhaupt? Für so etwaswar ich wohl doch schon zu alt. Ich wusste nicht einmal genau, ob ich wirklich noch wütend auf ihn war.
Was sollte ich also tun? Schließlich konnte ich nicht einfach dasitzen und ihn wie ein Idiot anstarren.
In diesem Augenblick kam mir eine kleine boshafte Idee. Am liebsten, schoss es mir durch den Kopf, am liebsten würde ich mich jetzt vorbeugen, ihm leicht auf das Knie klopfen, ihm sagen, wer ich bin, und dabei sein Gesicht beobachten. Und dann anfangen, über die gemeinsame Schulzeit zu sprechen – laut genug, dass die anderen Leute im Wagen es hören können. Ihn scherzhaft an einige Sachen erinnern, die er mir angetan hat. Vielleicht sogar die Prügelszenen im Umkleideraum schildern, um ihn etwas in Verlegenheit zu bringen. Ein bisschen Ärger und Unbehagen würde ihm gar nichts schaden. Und für mich wäre es eine Genugtuung.
Plötzlich hob er den Kopf und ertappte mich dabei, dass ich ihn anstarrte. Es war bereits das zweite Mal, und ich bemerkte ein gereiztes Aufleuchten in seinen Augen.
Nun gut, dachte ich. Also los. Aber sprich freundlich, ungezwungen, höflich. Das ist viel wirkungsvoller und für ihn bedeutend peinlicher.
Ich lächelte ihn also an, nickte ihm verbindlich zu und sagte mit lauter Stimme: «Gestatten Sie bitte, dass ich mich vorstelle.» Ich beugte
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