Und oben sitzt ein Rabe
braven Bäume, die pünktlich dann krank werden, wenn eine Bank oder eine Versicherung gern da bauen will, wo die alten Villen stehen! Ist das nicht schön?«
Moritz verzog das Gesicht. »So ist es. Ich wollte einen bösen Artikel dazu schreiben; das hat mir der Chef untersagt. Das heißt, nicht untersagt. Er hat mir dringend abgeraten. Sein Schwager sitzt im Rathaus, und der habe ihm wichtige Informationen darüber gegeben, aus denen zu entnehmen sei, daß alles gar nicht so ist, wie es aussieht. – Übrigens« – er blickte Matzbach an, als wolle er ihn hypnotisieren – »weißt du, von wem das vorläufig letzte Gutachten zu dem Thema stammt?«
»Nein. Ich beschäftige mich in meiner Freizeit gelegentlich mit harmlosen Mördern, aber an die großen Verbrecher komm ich nicht ran. Wer war es denn?«
Moritz grinste. »Unser Freund Stücker.«
Infolge allgemeinen Erstaunens bei Sarah und Andreas sahen Moritz und Baltasar sich genötigt, Informationen über Eduard Stücker abzusondern. Moritz griff nach seiner Aktenmappe.
»Hier«, sagte er, wobei er auf ein dickeres Bündel klopfte, »ist einiges über Stücker und seine Aktivitäten der letzten zwanzig Jahre, soweit diese öffentliches Interesse verdienten. — Und hier sind die anderen Sachen, die ich dir noch heraussuchen wollte.«
Baltasar nahm das Bündel entgegen und neigte dankend den Kopf. »Huldreicher Liebling der Morgenröte«, sagte er salbungsvoll, »eminenter Auswurf des Olymp und Verkörperung außerdienstlicher Zuverlässigkeit, ich danke Euch.«
Er warf das Bündel lieblos auf einen leeren Sessel. »Ich werde mich gelegentlich damit befassen. Heute abend hab ich frei.«
Er runzelte die Stirn und dachte nach.
»Gevatter«, sagte er dann, an Moritz gewandt, »hast du dich inzwischen mit dieser Kartoffeldame unterhalten?«
Moritz schüttelte den Kopf. »Ich habe vielleicht noch andere Dinge zu tun, ungünstiger Ekelbär, und außerdem schlafe ich hin und wieder. Du wirst dich da noch ein paar Tage gedulden müssen. Ich werde sie am Montag anrufen und um einen Termin bitten. Zufrieden?«
Baltasar und Ariane verlebten ein Wochenende in zurückhaltender Bescheidung und ohne auswärtige Eindringlichkeiten. Matzbach durchblätterte die Papiere, die Moritz hinterlassen hatte, und schnalzte gelegentlich mit der Zunge.
Montag begab er sich wieder in seine Wohnung, in der ihn gegen Mittag ein unwirscher Ziegler anrief, der sich weitere Einmischungen in die amtlichen Ermittlungen verbat. Matzbach versprach ihm höflich, ihn bei Gelegenheit von Fortschritten wissen zu lassen, und hängte ein.
Nachmittags erfuhr er von gemeinsamen Bekannten, Hoff sei am Wochenende mit einer reizenden Rothaarigen gesehen worden. Abends rief Henry an und berichtete von Unterredungen mit einer Sekretärin des berühmten Eduard Stücker, die aber außer einem Überblick über seine wesentlichen Taten der letzten Zeit nichts erbracht hätten. Ein detaillierter Bericht werde folgen.
Also werkelte Matzbach bis in die Nacht hinein an den nächsten Folgen von
Frau Griseldis
, hüpfte anschließend wie ein Zicklein unter die Dusche, umhüllte sein fettes Egogefäß mit Frottee, trank einen Schlaftrunk und zog unter den fröhlichen Fanfaren seines Schnarchens bis zur Morgendämmerung wider seine Träume zu Felde.
In barbarischer Frühe, gegen sieben Uhr, riß ihn langanhaltendes Klingeln aus dem Schlummer. Eine freundliche Dame vom Postamt las ihm am Telefon den Wortlaut eines Telegramms vor, das später mit der normalen Post zugestellt wurde. Der Text lautete: »Hilfe stop assassinen stop sofort kommen les baux stop anrufen hotel xy stop william.«
Mit einer für seine normalen Aufstehgewohnheiten, speziell nach dreieinhalb Stunden Schlafs, unüblichen Lust eilte Baltasar ins Bad. Danach ließ er sich von der Auslandsauskunft die Nummer des betreffenden Hotels in Les Baux heraussuchen und rief dort an. Er war sich völlig darüber im klaren, daß die Morgenwonne mit dem Stichwort »Assassinen« zu tun hatte und damit, daß ein ferner Lockruf Abenteuer versprach, während er in der Heimat, der teuren, mit seinem Doppelmord nicht weiterkam.
Der Mensch, der im Hotel den Hörer abnahm, versicherte ihm, Monsieur William Bronner weile in seinem Gemach und er werde ihn ans Telefon holen. Es dauerte nicht sehr lang. William hörte sich entfernt, entnervt und erschöpft an.
»Matzbach«, sagte er hastig, »kannst du kommen?«
»Was ist denn los?«
Bronner hustete. »Zu viele
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