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Und oben sitzt ein Rabe

Und oben sitzt ein Rabe

Titel: Und oben sitzt ein Rabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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Bund gehörte, ist dort zu einmütigem Entsetzen vor ein paar Jahren ein Autobahnzubringer mit siebenundzwanzig Schleifen, neunzehn Spuren und dreihundert Richtungen gebaut worden. Er umzingelt die alte Kommende. Wenn LKWs vorbeifahren, zittern die Mauern, und keiner weiß, wie lange das Ding noch stehen wird. Und – zu dem Bau gehörte ein Park, an dessen Ende ein wunderschönes altes Pförtnerhäuschen stand. Zwischen den Resten des Häuschens und der Kommende verlaufen jetzt drei Fahrspuren. Stücker war auch dafür.«
    Er schüttelte den Kopf.
    »Bei der Veranstaltung in Köln, bei den Konjunktivisten, hat er mir etwas über Macht, Beharrungswillen und Schopenhauer erzählt. Vielleicht ist das der Grund dafür, daß er in den letzten Jahren alle möglichen Projekte befürwortet hat, die widersinnig sind: Durchsetzen des Apparats der Administration gegen die Bevölkerung, um jeden Preis. Was weiß ich. Stärke nach innen als Basis für angestrebte Stärke nach außen.«
    Er lächelte müde.
    »Leider ist das weder ungesetzlich noch mörderisch. Okay, vielleicht hat er den einen oder anderen Beamten geschmiert, um auch für das nächste teure Gutachten berücksichtigt zu werden. Aber daraus kann ich mir immer noch kein Motiv für einen Mord konstruieren.«
    Ariane wackelte mit den Füßen. »Nimm mal an, der Anwalt wäre zufällig dahintergekommen, daß Stücker bestochen hat ...«
    Matzbach winkte ab. »Kein Grund.
Mon dieu
, was soll ihm passieren? Man wird ihn und ein paar andere vor Gericht zerren, wenn nicht überhaupt alles vertuscht wird. Dann bekommt er eine Geldstrafe aufgebrummt, die er mit einem freundlichen Lächeln bezahlt. Er hat sein Schäfchen im Trockenen.«
    Er griff nach einer unförmigen Reisetasche, die sein Wochenendgepäck barg; neben der Zahnbürste und einem Satz frischer Unterwäsche bestand dies vor allem aus Papier. »Hier, Moritzens Dossier. Eduard Stücker, geboren 1927 in Lassahn, Mecklenburg, pipapopu ... seit 1961 Büro bei Bonn – wo ist es denn – ach, hier. Besitzt Landhäuser in der Eifel, im Sauerland, eine Strandvilla in St. Peter-Ording, ein Chalet in der Normandie. – Wahrscheinlich hat er auch ein nettes kleines Konto in der Schweiz. Und dem soll die Aussicht auf ein Verfahren wegen Bestechung so viel Angst machen, daß er dafür zwei Leute abmurkst?«
    Ärgerlich warf er den Papierhaufen wieder in die Tasche. »Unser kleiner Ausflug in die Provence war amüsant. Leider geht es in dieser Angelegenheit überhaupt nicht voran. Moritz und Henry fördern Details ans Tageslicht, mit denen kein Mensch etwas anfangen kann. Stücker wäre ein prachtvoller Mörder, aber ich sehe keinen Grund, warum er es hätte tun sollen. Oder können. Ich werde«, sagte er erbittert, »in der kommenden Woche zum Frontalangriff übergehen.«
    Ariane lächelte, beinahe mütterlich. »Armer Kleiner, was will das liebe Kerlchen denn unternehmen? Frontalangriff, pah.«
    Baltasar nickte. »Genau, pah. Ich weiß es nicht. Ich werde mich ein bißchen mit der Kartoffeltante unterhalten. Das Interview, das Moritz mit ihr gemacht hat, brachte gar nichts. Dann werde ich Fricke zuerst verbellen und danach stellen und ihn fragen, was er in der Rhön gemacht hat. Und ich werde ein Gespräch mit diesem Journalisten Albring führen. Und mich noch mal in Köln erkundigen, ob neben den opulenten Konjunktiven andere Dinge angefallen sind. Ich Trottel, ich weiß ja bis heute nicht einmal, ob Naumann jemals in Köln bei diesen Leuten gewesen ist.« Düster setzte er hinzu: »Und ich sehe nichts. Wahrscheinlich war es am Ende doch Andreas Goldberg. Oder dieser widerliche Rabe.«
    Am Montag lief Matzbach auf dem Weg durch die Stadt dem geschätzten Hauptkommissar Ziegler in die Arme.
    »Ah, Matzbach«, sagte Ziegler honigsüß. »Dieses Zusammentreffen erfreut mich.«
    Matzbach verneigte sich. »Zahllose Glückssterne«, versicherte er, »überstrahlen diesen Tag, da mir endlich Ihr Antlitz in seiner ganzen Leuchtkraft zuteil wird.«
    Ziegler hielt ihn am Ärmel fest. »Na, Sie Hobbydetektiv, möchten Sie mich nicht zu einer Tasse Kaffee und einer Unterhaltung in mein Büro begleiten?«
    Baltasar strahlte. »Solch eine formidable Einladung, noch dazu im November und aus Ihrem hochmögenden Munde – wer wollte sich da sträuben?«
    Schweigend gingen sie zu Zieglers Büro. Nachdem beide Platz genommen hatten, beugte sich Ziegler über den Schreibtisch vor und starrte Matzbach auf die Nase.
    »So«, sagte er,

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