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Und oben sitzt ein Rabe

Und oben sitzt ein Rabe

Titel: Und oben sitzt ein Rabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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Osten in Grenznähe zu treffen, oder sonst was.«
    Ziegler legte das Papier weg. »Nichts dergleichen. Das könnte er außerdem hier in Bonn bequemer haben. Nein.« Er blickte ernst. »Das ist eine persönliche Tragödie. Sie werden bei Ihren ungeheuren Ermittlungen festgestellt haben, daß Fricke nie verheiratet war. Er hat 1942 mit einem Mädchen, mit dem er befreundet war und das er wohl heiraten wollte, eine Wanderung durch die Rhön unternommen. Dabei ist sie ins Moor geraten und umgekommen. Seitdem fährt er jedes Jahr, sofern es möglich ist, am Jahrestag dieser Tragödie in die Rhön und, na ja, wenn Sie so wollen, pilgert die Strecke ab, die sie damals gelaufen sind.«
    Baltasar kratzte sich den Kopf. »Das erklärt seine Erschütterung und den Rosenkranz, den er auf der Rückfahrt gebetet hat.«
    Ziegler nahm das Papier wieder auf. »Bleiben also«, sagte er müde, »Frau Baginsky und Herr Stücker. Frau Baginsky ist die einzige, die kein restlos überzeugendes Alibi hat. Sie hatte am Donnerstag in der Frühe einen Termin bei Inter Nationes in Bad Godesberg, und dort war sie pünktlich um acht Uhr, wie ihr Gesprächspartner versichert. Wie Ihnen bekannt sein dürfte, wohnt sie im Godesberger Süden. Ihre Nachbarin versichert, sie habe gegen halb acht den Wagen aus der Garage geholt und sei fortgefahren; dies habe sie gehört. Nun könnte natürlich jemand für sie den Wagen geholt haben; gesehen hat man sie an dem Morgen nicht. Aber das erscheint mir reichlich weit hergeholt. Vor allem gehe ich davon aus, daß sie, wenn sie tatsächlich etwas Böses getan hätte, dieses sorgfältig vertuscht haben würde. Sie ist eine intelligente Frau; wenn sie eine Mörderin wäre, hätte sie bestimmt ein überzeugendes Alibi. Außerdem brauchte sie Naumann beruflich. Er hatte sich für sie in Fragen, juristische Fragen, die mit Saatgut und Kartoffelpatenten und so zusammenhängen, eingearbeitet. Dafür gibt es zur Zeit praktisch keinen Spezialisten mehr, und Frau Baginsky ist untröstlich, daß sie nun wieder von vorn anfangen muß.«
    Baltasar wiegte den Kopf hin und her. »Na ja, das klingt alles dünn, bis auf das akustische Alibi der Nachbarin. – Was ist mit Stücker?«
    Ziegler grinste. »Der hat ein Alibi. Er hat die Nacht bei seiner Sekretärin in Ippendorf verbracht, hat sie gegen sieben Uhr verlassen, um nach Hause zu fahren und sich umzuziehen, und als sie um Viertel vor acht ins Büro kam, saß er bereits im dunklen Anzug hinter dem Schreibtisch und erwartete einen wichtigen Besucher, der dann auch um acht Uhr kam.«
    Ziegler legte das Papier weg.
    »Natürlich hätte er auf der Fahrt von Ippendorf zu seinem Haus und seinem Büro auf der anderen Rheinseite schnell in die Nordstadt sausen, Naumann und Frau Goldberg erschießen und dann die Fahrt fortsetzen können. Aber Ippendorf-Oberdollendorf samt Erschießen und Umziehen innerhalb einer dreiviertel Stunde ist reichlich hastig. Sie wissen doch, wie es in der Nordstadt mit Parkplätzen aussieht.«
    Baltasar nickte. »Allerdings weiß ich nicht, wie es dort morgens um halb acht mit Parkplätzen aussieht. Das ist eine Zeit, zu der ich nicht einmal einen Hund auf die Straße schicken würde, geschweige denn meinen köstlichen Leib und Charakter.«
    Ziegler runzelte die Stirn. »Na ja, was Ihre Köstlichkeit angeht, da sind, glaube ich, mehrere verschiedene Meinungen im Umlauf.«
    Baltasar zündete sich eine Zigarre an und blies Ziegler den ersten kräftigen Schwall Rauch ins Gesicht. »Also«, sagte er dabei munter, »es war keiner von allen, wie?«
    Ziegler nickte verdrossen. »Offenbar. Ach so, bevor Sie mich beschimpfen. Natürlich habe ich auch die Kölner Nummer ermittelt und mit der Vorsitzenden dieser Gesellschaft zur Stärkung der Verben gesprochen. Frau Gabrieli kannte Naumann schon lange. Bevor sie sich auf die Sprache geworfen hat, hat sie ein paar Semester Jura studiert. Daher. Sie haben sich gelegentlich gesehen, einfach so. Irgendwann hat sie ihm von der Gesellschaft erzählt, und Naumann ist aus Neugier ein paarmal dagewesen. Übrigens, die Verabredung, zu der er am Abend vor seinem Tod noch gefahren ist, war mit Frau Gabrieli. Sie hatte ein paar juristische Probleme mit der Weiterentwicklung der Gesellschaft, die sie wohl langfristig in eine GmbH mit einer Zeitschrift und eigener Redaktion umwandeln will. Naumann war bei ihr und hat mit ihr die nächsten nötigen Schritte und Schwierigkeiten durchgesprochen. Das wär's.«
    Ziegler faltete die

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