Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Und oben sitzt ein Rabe

Und oben sitzt ein Rabe

Titel: Und oben sitzt ein Rabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
Vom Netzwerk:
dem Haus. Er hielt sich im Schatten, in der Nähe der Hauswände, und blieb hinter einem Baum mit breitem Stamm und tiefhängenden Ästen stehen. Die nächste Laterne war weit genug entfernt.
    Geduldig und regungslos wartete er. Kurz nach Mitternacht glitt aus einer für ihn von rechts kommenden Straße ein stabiler Lieferwagen mit Standlicht vor Stückers Haus und blieb stehen. Der Fahrer ließ den Motor laufen, während schnell und leise vier Männer ausstiegen. Die Tür öffnete sich; Stücker mußte gewartet haben. Die Männer huschten ins Haus; der Fahrer stellte den Motor ab. Im Haus gingen einige Lichter an, durch Vorhänge gedämpft, in Räumen, in denen Matzbach nicht gewesen war. Nach kurzer Zeit kamen die Männer zurück. Jeder trug eine Kiste; die nicht allzu großen Behälter schienen schwer zu sein, denn die Männer gingen langsam und waren bemüht, das Gleichgewicht zu halten. Stücker trat nicht auf die Straße; er schloß sofort wieder die Tür. Die Männer luden die Kisten in den Wagen, der unmittelbar darauf mit ihnen verschwand.
    Baltasar widerstand der Versuchung, sich eine Zigarre anzuzünden, da er nicht sicher sein konnte, ob Stücker nicht noch die Umgebung beobachtete. Er wartete bis drei Uhr. Bei Stücker brannten immer noch mehrere Lichter. Er schien hin und her zu gehen, denn sein Schatten zeichnete sich mal vor dem einen, mal vor dem anderen Fenster ab. Kurz nach drei Uhr endlich erloschen die Lichter.
    Baltasar wartete noch eine Weile; da Stücker sich nicht mehr zeigte, hoffte er schließlich, der Mann habe das Bett aufgesucht, denn er hatte keine Lust mehr, länger auszuharren. Vorsichtig zog er sich außer Sichtweite zurück, zündete sich eine Zigarre an und ging zum Wagen.
    Den Rest der Nacht verbrachte er im wesentlichen damit, daß er in einem Sessel saß, Männchen malte, meditierend ins Leere äugte, zwischendurch kurz einnickte und gelegentlich saftige Flüche murmelte.
    Morgens begab er sich, müde und ratlos, unter die Dusche, rasierte sein Antlitz und wanderte dann mit einem Becher Kaffee in der linken Hand und einer unangezündeten Zigarre hinter dem rechten Ohr auf und ab, auf und ab, bis ihn das Telefon aufschreckte.
    »Matzbach.«
    »Aha. Schon wach?« Es war Hoff.
    Baltasar setzte den Kaffeebecher ab. »Nein, noch. Hast du was Neues?«
    Henry sagte, vorsichtig vorbereitend: »Halt dich fest, oder, besser, setz dich.«
    Baltasar blieb stehen. »Ich stehe fest auf meinen Säulen, also spute dich und rede.«
    »Gut. Also, ich bin in Gnaden wieder von der jungen Dame aufgenommen worden. Irgendwas an mir muß wohl stumm, aber wirkungsvoll Vergebung erheischen.«
    Matzbach grunzte. »Ich wage keinerlei Vermutung anzustellen, was das wohl sein könnte. Nun red schon.«
    »Also, paß auf. In letzter Zeit hat Stücker eine Menge Briefe selbst getippt, was unüblich ist. Sonst diktierte er alles seinen Damen. Diese hier hegt einen kleinen Groll gegen ihn, denn sie hatte bis vor kurzem eine Liaison mit ihm.«
    »Aha. So ist das also.«
    »Genau. Ziegler hat dir ja neulich von Stückers Alibinacht mit einer seiner Damen berichtet. Das war diese. Das hatte sie mir in der ersten Runde unserer Bekanntschaft noch nicht erzählt, seit, hm, acht Stunden weiß ich es. Sie ist natürlich von der Polizei befragt worden und hat die Geschichte, die Stücker erzählte, bestätigt.«
    Er machte eine Pause, offenbar nicht, um Eindruck zu schinden, sondern, um Kaffee zu trinken.
    Matzbach fragte dazwischen: »Und stimmt die Geschichte nicht? Hat sie aus libidinösen Gründen etwa gelogen, die Liebe?«
    »Nichts da, das stimmt alles. Sie ist nur böse auf Stücker, weil er sie seit dieser Nacht nicht mehr näher angeschaut hat; ich glaube, ihre Zuneigung zu mir und ihre Verzeihung sind eine Art Rache an ihm, oder so. Jedenfalls passierte Folgendes. Stücker also tippt neuerdings Briefe selbst, natürlich nicht alle. Vor ein paar Tagen, Ende letzter Woche, hat er ihr außerdem ein paar Briefe diktiert. Nachdem sie sie getippt hat, reicht sie sie ihm wieder rein, zum Unterzeichnen. Nun kommt das Problem. Irgendwie konnte sie die Vorlegemappe nicht finden, hat ihm also die Briefe samt Durchschlägen als kleinen Stapel reingereicht. Er ist mit anderer Korrespondenz beschäftigt und sagt, sie soll alles hinlegen. Später bringt er ihr den Stapel mit seinen Unterschriften wieder raus, persönlich. Als sie alles durchsieht, die Durchschläge aussortiert und abheftet und so weiter, findet sie unter dem

Weitere Kostenlose Bücher