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Und oben sitzt ein Rabe

Und oben sitzt ein Rabe

Titel: Und oben sitzt ein Rabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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Stapel ein paar Briefe, die sie nicht geschrieben hat. Sie will sie ihm sofort wieder reinbringen, aber dann ist sie doch zu neugierig und überfliegt die Briefe.«
    Matzbach wurde ungeduldig. »Nun mach's nicht so spannend. Was stand drin?«
    »Also, Stücker ist offenbar dabei, seine sämtlichen Häuser und Grundstücke zu verkaufen, zum Teil, wie die junge Dame meint, weit unter Preis, also offenbar eilig, und außerdem hinter dem Rücken seiner Angestellten, die sonst auch für solche Sachen zuständig sind. Dann fiel ihr auf, daß er seit einigen Wochen die Buchhaltung selbst macht und daß keiner in der letzten Zeit Kontoauszüge gesehen hat. Bis vor ein paar Wochen hat er auch sein Privatkonto von seiner Geschäftsbuchhaltung bearbeiten lassen.«
    Hoff nahm einen Schluck Kaffee; die Arbeit seines Kehlkopfes übertrug sich unästhetisch durch die Telefonleitung.
    »Also«, sagte er dann, frisch geschmiert, »sie gibt ihm die Briefe wieder rein und sagt, die hier gehören wohl nicht dazu. ›Aha‹, sagt er, ein wenig irritiert, ›vielen Dank. Ein Versehen.‹ Später hat er versucht, rauszukriegen, ob sie die Dinger gelesen hat. Er hat ihr sogar ein Abendessen mit Folgeerscheinungen aufdrängen wollen, aber sie hat kaltlächelnd abgelehnt. jedenfalls, sagt sie, hat sie nichts davon durchblicken lassen, daß sie die Briefe gelesen hat. Im Prinzip geht es sie ja auch nichts an, was er mit seinem Privatbesitz macht. Gestern hatte er Besuch von einem Kollegen. Sie haben eine Weile hinter verschlossenen Türen verbracht; dann, beim Rausgehen, hat sich der Kollege ungefähr wie folgt verabschiedet:
    ›Na ja, tut mir leid, die Zusammenarbeit mit Ihnen war immer gut. Aber ich hoffe, ich werde mich mit dem Kram zurechtfinden. Sie haben ja tüchtige Mitarbeiter.‹ – Was machst du daraus?«
    Baltasar setzte sich. »Aha. Ich nehme an, ich mache daraus das gleiche wie deine junge Dame. Stücker verkauft alles, Privatbesitz und Geschäft. Die Frage ist: Warum? Und: Was hat er vor?«
    »Ich weiß es nicht. Nach allem, was sie sagt, liegt geschäftlich kein Grund vor, etwa die Kanone ins Schilf zu werfen. Und für geordneten Rückzug ins Rentnerdasein geht er die Sache ein bißchen hastig und heimlich an, oder?«
    Matzbach grübelte. Schließlich sagte er: »Ich habe einige Verdächte und keinerlei Beweis. Kannst du Mademoiselle vielleicht zu einem Rendezvous in ihrer Mittagspause überreden? Zum Beispiel ...« Er zögerte einen Moment, nannte dann ein am Rhein gelegenes Restaurant, das nicht allzuweit von Stückers Büro entfernt war.
    »Ich versuch's, ich ruf dich gleich wieder an. Wann etwa wär's dir genehm?«
    »So früh wie möglich, aber ich richte mich nach der Mittagspause der Lady.«
    Nachdem er aufgelegt hatte, zündete er sich die lange hinter dem Ohr getragene Zigarre endlich an und wartete auf Henrys nächsten Anruf. Der kam wenige Minuten später.
    »Alles klar. Gegen eins.«
    »Gut. Ich komm vorher bei dir vorbei, so um die zwölf, ja?«
    »Gut. Bis nachher.«
    Nach diesem Telefonat begann Matzbach intensiv nachzudenken. Als er ein paar Möglichkeiten ausgetüftelt hatte, rief er Frau Gabrieli an, die nicht sehr erbaut war, von ihm schon wieder behelligt zu werden.
    »Herr Matzbach«, sagte sie leidend, »was muß ich denn diesmal für Sie tun?«
    »Vielleicht viel. Ich habe ein paar kurze Fragen. Die letzte Sitzung, an der Naumann teilnahm, die im Garten: War Stücker da auch anwesend?«
    »Ja, natürlich.«
    »Wieso natürlich? Ist er immer dabei?«
    »Nein, das nicht. Jeder fehlt mal hin und wieder, das ist nicht anders zu erwarten.«
    »Wieso sind Sie denn so sicher, daß Stücker damals anwesend war? Sie können doch unmöglich alle Gesichter aller Mitglieder in allen Sitzungen im Kopf behalten.«
    »Nein, natürlich nicht. Aber bei Stücker bin ich deswegen sicher, weil er zwischendurch noch einmal fortmußte und später wiederkam, an diesem Abend.«
    »Wissen Sie, warum er fortmußte?«
    »Er hätte noch eine kurze geschäftliche Verabredung, sagte er. Im übrigen ist er mir keinerlei Rechenschaft schuldig und kann, wie alle anderen, kommen und gehen, wann es ihm beliebt.«
    Matzbach überhörte den scharfen Unterton. »Gut. Wissen Sie noch, wann die Sitzung begann?«
    Sie zögerte. »So kurz nach fünf. Nein, warten Sie, kurz vor fünf. Ich erinnere mich, daß einer sagte, so früh hätten wir uns noch nie getroffen.«
    »Wann etwa ist Naumann gekommen?«
    »Der war unter den ersten. Genau wie

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