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Und oben sitzt ein Rabe

Und oben sitzt ein Rabe

Titel: Und oben sitzt ein Rabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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Stücker übrigens.«
    »Wissen Sie noch, was Naumann an dem Tag anhatte?«
    Frau Gabrieli räusperte sich. »Ich nehme an, einen Anzug. Im Gegensatz zu Ihnen trug er korrekte Kleidung.«
    Baltasar grinste. »Sie haben gesagt, an diesem Abend sei es warm gewesen. Hatte Naumann seinen Anzug die ganze Zeit vollständig an, oder hat er sich vielleicht das Jackett ausgezogen?«
    Sie antwortete zunächst nicht. Nach einer kleinen Weile sagte sie unsicher: »Ich weiß es nicht genau. Doch, natürlich, letzt fällt es mir wieder ein. Irgend jemand machte den Vorschlag, in Anbetracht der Hitze die Kleiderordnung zu lockern. Darauf haben die meisten der anwesenden Herren ihre Jacken ausgezogen und die Krawatten geöffnet.«
    »Wo haben die Gentlemen ihre Jacken aufbewahrt? Haben sie sie über die Stühle gehängt?«
    »Im Garten gibt es praktisch keinen einzigen Stuhl, sondern alte Holzbänke und derlei, ohne Lehnen. Nein, die Herren haben ihre Jacken ins Haus gebracht.«
    Matzbach nickte vor sich hin. »Gut. Jetzt kommt das wichtigste Problem. Ist Stücker gegangen, bevor oder nachdem die Jacken abgelegt wurden?«
    »Nachdem. Er hatte seine nicht ausgezogen; als die anderen ihre auszogen und ins Haus brachten, meinte er, er müsse ohnehin gleich gehen.«
    »Wo wurden die Jacken genau abgelegt?«
    »Mein Gott, das weiß ich nicht so genau. Ich nehme an, die meisten haben ihre Jacken einfach in dem großen Raum abgelegt, den Sie kennen.«
    »Mußte Stücker durch diesen Raum, um das Haus zu verlassen?«
    »Ja, natürlich. Der Zugang zur Terrasse und zum Garten ist nur von diesem Salon aus möglich.«
    »Wie lange war Stücker fort, und wann ungefähr ist er aufgebrochen?«
    »Herr, Sie sind lästig. Woher soll ich das noch so genau wissen? Ich schätze, es kann gegen halb sechs gewesen sein, als er ging, und er ist vielleicht etwas mehr als eine Stunde fortgeblieben. Ja, ungefähr eine Stunde. Jetzt fällt mir ein, daß er, bevor er ging, Naumann gefragt hat, ob er ihn nachher noch einmal kurz sprechen könne; er werde in etwa einer Stunde wiederkommen. Naumann hat darauf gesagt, er sei den ganzen Abend anwesend.«
    Sie summte nachdenklich vor sich hin, dann ergänzte sie:
    »Dabei fällt mir ein, daß die beiden einander sehr merkwürdig angeschaut haben, wie zwei Hunde an der Reviergrenze.«
    Matzbach unterdrückte das Bedürfnis zu bellen. »Feindselig?«
    »Irgendwie lauernd, eher.«
    »Aha. Eine letzte Frage, gnädige Frau, dann lasse ich Sie in Ruhe. Wissen Sie zufällig, wo Naumann seine Schlüssel aufbewahrte?«
    »Nein, woher sollte ich das wissen?«
    »Na ja, manche Leute tragen einen Schlüsselbund in der Jackentasche, und andere befestigen ihre Schlüssel an einem nachgemachten Schekel, den sie am Gürtel tragen.«
    »Also, am Gürtel hatte Naumann nichts, das wäre mir wohl aufgefallen.« Dann energisch: »Meinen Sie etwa, Herr Stücker hätte an Naumanns Jacke gehen und Schlüssel daraus entwenden können?«
    Baltasar sagte langsam: »Das könnte durchaus sein.«
    Frau Gabrieli war empört. »Also, hören Sie mal zu. Herr Stücker ist, abgesehen von seinen gelegentlichen politischen Scherzen, ein ruhiger und freundlicher Mann. Ich finde Ihre Verdächtigungen absurd. Außerdem wäre das doch ziemlich riskant gewesen. Wenn er einen Schlüssel, oder gar alle, aus Naumanns Jacke genommen hätte, was, wenn Naumann in seiner Abwesenheit mal eben ins Haus gegangen wäre, vielleicht, um sich Zigaretten aus der Jacke zu holen?«
    Matzbach seufzte. »Verehrteste, erstens kann man wohl davon ausgehen, daß jemand, der einen Mord plant, wenn Stücker dies getan haben sollte, auch ein solch kleines Risiko nicht scheut. Zweitens ist es durchaus möglich, daß ich unrichtig denke. Ich danke Ihnen jedenfalls.«
    Bevor sie noch etwas sagen konnte, legte er auf.
    Anschließend rief er im Innenministerium an, ließ sich mit Herrn Fricke verbinden, nannte seinen Namen und bat darum, ihn in einer wichtigen Angelegenheit sofort aufsuchen zu dürfen.
    »Wenn es sein muß«, sagte der Beamte zögernd, »kommen Sie vorbei. Ist es dienstlich?«
    Matzbach behauptete dies unverfroren, bedankte sich, zog sich einigermaßen vollständig an und verließ die Wohnung.
    Fricke drückte ihm nur sehr schlaff die Hand und bot ihm einen Sitz an. Dabei musterte er ihn irritiert.
    »Ich habe das Gefühl«, sagte er, »daß ich Sie schon mal gesehen habe, weiß aber nicht, wo.«
    Matzbach lächelte. »Ich habe angeblich zwei Doppelgänger, obwohl meine

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