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Und oben sitzt ein Rabe

Und oben sitzt ein Rabe

Titel: Und oben sitzt ein Rabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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speziell die eine oder andere Straße. Ihr beiden werdet derweil die Wache in Sankt Peter besuchen und Grüße von mir ausrichten. Ich werde mich dort melden, oder wir treffen uns da drüben in dem Café. Das wird ja wohl demnächst mal öffnen.«
    Goldberg starrte hinüber. »Es gehört zu dem Hotel, wenn ich mich nicht irre, und das Hotel ist teilweise erleuchtet. – Was willst du denn unternehmen?«
    Baltasar öffnete die Wagentür. »Puh«, sagte er, als der erste Lufthauch ihn erreichte, »unwirtliche Brise. – Ich will mich nur umsehen, wie gesagt. Keine Sorge, ich mach keinen Unsinn.«
    Hoff murmelte: »Das wär das erste Mal. Matzbach und kein Unsinn, hihihi.«
    Sie fuhren davon. Baltasar ging langsam zu dem Lädchen, erstand eine Tafel Schokolade als Notration und einen kleinen Kompaß, den man als Ring tragen konnte. »So was«, sagte er grinsend, »hab ich mir immer schon gewünscht.«
    Dann verließ er den Laden und ging zum Hotel hinüber, um eine Tasse Kaffee zu trinken und in Ruhe noch einmal die Karte zu studieren.
    Anschließend wanderte er durch die stillen Straßen. Schräg gegenüber von Stückers ansehnlicher Villa stand ein unauffälliges Auto, in dem zwei unauffällige Menschen in Zivil unauffällig Zeitung lasen. Baltasar pfiff fröhlich vor sich hin, folgte einem älteren Mann über einen Zebrastreifen und umrundete eine Litfaßsäule vor einem großen Block mit Ferienwohnungen und Apartments.
    Der Mann vor ihm trug einen billigen, abgeschabten Wintermantel, dessen Kragen hochgeschlagen war, und darüber eine Pelzmütze. Offenbar war er kahlköpfig, denn zwischen Kragen und Mütze war kein Haar zu sehen. Er ging leicht vornübergebeugt und stützte sich auf einen Spazierstock.
    Baltasar betrachtete mißmutig den Rücken und rechnete sich aus, daß der Alte, ginge er nicht so gebeugt, etwa so groß wäre wie er.
    Vor einem der zahllosen Eingänge zu dem Block blieb der Mann stehen, nahm den Stock in die linke Hand, steckte die rechte Hand in die Manteltasche, drehte sich um und blickte Matzbach an. Mit seinem grauen Spitzbart, den weißen, buschigen Brauen und den tiefen Linien um die Augen sah er aus wie ein achtzigjähriger, pensionierter Admiral, aber die Augen gehörten Eduard Stücker.
    »Hätte ich mir denken können«, sagte er leise, wobei er die Hand in der Tasche bewegte. Etwas Spitzes zeichnete sich ab.
    Die Straße war leer, der Polizeiwagen außer Sicht hinter der nächsten Ecke, und mit zufälligen Beobachtern in den Wohnungen des Blocks war zu dieser Jahres- und Tageszeit und bei diesem Wetter nicht zu rechnen. Baltasar blieb stehen, wo er stand. Stücker bewegte die Hand in der Tasche auffordernd nach rechts.
    »Sie werden jetzt in diesen Eingang treten«, sagte er. »Außerdem werden Sie keinesfalls die Hände in die Taschen Ihrer unmöglichen Jacke stecken. Verschränken Sie die Arme über der Brust.«
    Matzbach gehorchte; mit verschränkten Armen, was wegen der Menge des wettertrutzigen Stoffs nicht ganz einfach war, trat er in den Eingang. Stücker folgte ihm.
    »Moment«, sagte er. Er lehnte den Stock gegen die Wand und tastete Matzbach mit der linken Hand ab. Es dauerte nicht lange, bis er die Pistole in der Jackentasche gefunden hatte.
    »Aha. Spielzeug, wie?«
    Er steckte die Waffe ein, nahm seinen Stock wieder auf und knurrte: »Jetzt stoßen Sie die Tür mit den Ellbogen auf, und dann stecken Sie Ihre Hände in die Tasche.«
    Baltasar gehorchte wortlos. Im Gang dirigierte Stücker ihn zu einer Treppe, hinab, einen weiteren Gang entlang, abermals eine Treppe, dann sagte er: »Stop.«
    Sie standen vor einer Tür. Das Namensschild neben der Klingel lautete Bensemeier.
    »Ihr Pseudonym ist albern«, sagte Matzbach.
    Stücker grinste, wobei sich der graue Spitzbart hob. Er öffnete die Tür mit einem Schlüssel, linkshändig, wobei er nach dem Schlüsselloch tastete und Matzbach nicht aus den Augen ließ, die rechte Hand immer noch an der Waffe in der Tasche.
    Es war eine kleine Wohnung, halb im Souterrain. Die vergitterten Fenster des Wohnraums schauten auf einen verlassenen, verschneiten Park hinaus. Stücker blieb in der Tür stehen und zog nun endlich die Hand mit Revolver aus der Tasche. »Gehen Sie jetzt bitte dort an die Kopfseite des Tischs.«
    Er verschloß die Tür hinter sich. Baltasar schaute sich um, während er den Tisch umrundete. Der Wohn- und Kochraum der kleinen Wohnung war einigermaßen rechteckig. An einer der langen Seiten war die Tür, gegenüber

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