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Und oben sitzt ein Rabe

Und oben sitzt ein Rabe

Titel: Und oben sitzt ein Rabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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das Fenster; dazwischen, in Längsrichtung, stand der Tisch, verhüllt von einer billigen Stoffdecke. Neben dem Fenster führten verschlossene Türen an den Kopfenden des Raumes in weitere Zimmer, vermutlich Schlafzimmer und Bad. Neben der Tür stand ein größerer Schrank mit Aufsatz, in der Ecke ein kleines Wasch- und Spülbecken, an der Kopfseite Herd und Kühlschrank, flankiert von einem kleinen Teewagen. Matzbach zog vorsichtig und langsam den Stuhl unter dem Tisch hervor. Der Abstand zum Teewagen war nicht sehr groß.
    Stücker machte eine auffordernde Bewegung mit der Waffe. »Hier ist nicht geheizt«, sagte er, »aber gut isoliert. Wenn Sie wollen, ziehen Sie Ihre dicke Jacke aus. Ich bin allergisch gegen jähe Bewegungen. Dann setzen Sie sich auf den Stuhl und rutschen an die Tischkante, so nah es geht.«
    Baltasar zog die Jacke aus und warf sie auf den Stuhl an der Fensterseite des Tisches.
    »Nett haben Sie es hier«, sagte er, »und Ihrer freundlichen Einladung mag ich nicht widerstehen.«
    Er befolgte Stückers Befehle, während dieser mit einer Hand in einer Schrankschublade herumwühlte. Schließlich hielt er ein Knäuel starker Schnur hoch.
    »Man muß für das Angeln gerüstet sein, wenn man feiste Fische fangen will«, sagte er höhnisch. Er legte den Revolver griffbereit auf das Bord neben sich; schnell und geschickt knüpfte er Schlingen. Baltasar kalkulierte seine Chancen und blieb still sitzen. Stücker stand fast sieben Meter von ihm entfernt.
    Der Mann nahm den Revolver wieder in die Hand und kam zu Matzbach.
    »Die Arme nach hinten«, sagte er, »und keine Mätzchen; ich mach das erst mal mit einer Hand. Der Revolver bleibt auf Sie gerichtet, bis ich sicher bin.«
    Er machte es gründlich. Die Arme wurden miteinander und mit der Rückenlehne des Stuhls verbunden, die Schnur um Matzbachs Bauch gewickelt, dann kamen die Beine dran, die an die Stuhlbeine gefesselt wurden. Stücker zog alles fest an, bis Matzbach sich nicht mehr rühren konnte. Schließlich begab sich Stücker auf die andere Seite des Tischs, zog den Mantel aus und setzte sich. Der Revolver lag vor ihm.
    »Ein unverhofftes Wiedersehen«, sagte er.
    Baltasar verzog das Gesicht. »Nicht so ganz. Ich hatte fest mit Ihnen gerechnet. Und viel Verkehr ist hier im Ort im Moment nicht.«
    Stücker lehnte sich zurück und betrachtete den Dicken interessiert. »Aha. Haben Sie den Zettel gefunden, oder was?«
    Matzbach nickte. »Außerdem haben Sie noch ein paar Fehler gemacht. Erstens dachte ich mir wohl, daß Sie versuchen würden, aus Bonn heraus und näher zu Ihren östlichen Freunden zu kommen. Zweitens haben Sie bei Ihrem Gespräch mit Lauren zu laut geredet; die Tür war nicht ganz dicht. Drittens hat Lauren noch mal angerufen, nachdem Sie weg waren.«
    Stücker schnitt eine Grimasse. »Der dumme Kerl. Aber er hat seine Quittung schon.«
    Matzbach hob die Brauen. »Verhaftet?«
    Stücker blickte ihn kalt an und klopfte auf den Revolver. »Denken Sie, ich lasse zu, daß er auspackt?« Er schüttelte den Kopf. »Ich hatte ihm am Telefon empfohlen, alle wichtigen Dinge zu vernichten und sich dann an einem bestimmten Ort zu verbergen. Damit man ihn nicht findet. Als ich Sie mit Eva ins Restaurant kommen sah, hatte ich das Gefühl, es wäre nun Zeit.«
    Baltasar zog den Inhalt seiner Nase hoch. »Und dann haben Sie ihn in dem Versteck ...«
    Stücker gähnte. »Was denn sonst? Das war einer der Gründe, weshalb ich noch hierherkommen mußte.«
    Baltasar schnalzte mit der Zunge. »Weshalb haben Sie eigentlich diesen dummen Zettel liegenlassen?«
    Stücker machte eine wegwerfende Handbewegung. »Ich konnte ihn in der Eile nicht finden, deshalb.«
    Er warf einen Blick auf seine Armbanduhr und stand auf. Neben dem Herd stand eine Thermoskanne.
    »Von außen hereingebracht«, sagte Stücker; »hier fehlt es an allem. – Keiner soll sagen, ich ließe meine Gäste verdursten.« Er holte zwei Becher aus dem Schrank, goß Kaffee hinein und stellte einen vor Matzbach ab. Aus einer Schublade holte er einen antiken Strohhalm.
    »Hier. Damit ich Sie nicht losmachen muß.«
    Baltasar sog am Röhrchen. »Haben Sie keine Sahne?« knurrte er.
    Stücker setzte sich wieder, grinsend. »Ich bin kein Hotel.« Er trank einen Schluck.
    »Nun denn«, sagte er plötzlich, »es bleibt noch Zeit, und ich könnte mich genausogut mit Ihnen unterhalten. Wie haben Sie mich erwischt. Sie Sherlock Holmes?«
    Baltasar versuchte seine Finger zu bewegen. Er hatte ein

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