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Und oben sitzt ein Rabe

Und oben sitzt ein Rabe

Titel: Und oben sitzt ein Rabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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lebt vom eigenen Fett.«
    Eva hatte die fruchtlose Debatte mit Hoff beendet und kramte nun in einem kleinen Schränkchen, in dem, wie sie sagte, Stücker gelegentlich Aufzeichnungen aufbewahrte.
    »Ich verstehe nicht«, sagte Matzbach, »wieso Stücker so plötzlich, so leichtsinnig und mit, na ja, so vielen Fehlern ausklinkt.«
    Eva stieß einen kleinen Triumphschrei aus und hielt einen Zettel hoch. »Hier hab ich's!«
    Sie reichte das Stückchen Papier Matzbach, der es überflog. Es enthielt einige romantische Namen und weniger romantische Ziffern sowie etliche Häkchen.
    »Was soll denn das?«
    Eva sah ihm über die Schulter.
    »Fleur de Lys ist sein Chalet in der Normandie. Die Ziffer dahinter, dreihunderttausend, dürfte der Verkaufspreis sein, obwohl es wesentlich mehr wert ist. Das Häkchen heißt vermutlich abgehakt, erledigt. Auch die anderen Namen sind Häuschen, die er hier, da und dort besitzt und größtenteils ganzjährig vermietet hat. Wie du siehst, ist ›Stormvogel‹ nicht abgehakt, und das ist seine Villa in St. Peter-Ording.«
    »Aha«, sagte Baltasar. Er addierte im Kopf die Summen. »Nett – knappe anderthalb Millionen. Nicht zu reden von sonstigem Vermögen und dem Preis für dieses eminente Büro samt Mitarbeitern und beweglichen Gütern.«
    Inzwischen hatte sich das natürlich schon herumgesprochen; niemand war mehr überrascht.
    Murmelnd fügte Baltasar hinzu: »Aber wieso setzt er sich nicht schnell ostwärts ab?« Dann gab er sich einen Ruck und griff zum Telefon. Er wählte Ziegler an, aber der war noch immer nicht greifbar. Einer seiner Assistenten notierte Matzbachs Vorschlag, Stückers Büro genauer zu untersuchen, und empfahl ihm, sich aus der weiteren Angelegenheit herauszuhalten.
    Wenig später jagten sie auf der Autobahn nach Norden. Goldberg steuerte, denn Matzbach hatte dies so verfügt. »Ich hab nicht geschlafen, und Henry hat, eh, auch nicht geschlafen. Also fahr du.«
    Er legte sich bequem im Beifahrersitz zurück, kippte die Lehne nach hinten, ohne Rücksicht auf Henrys Knie. Hoff verzog sich schimpfend auf den Sitz hinter Goldberg. Der Rabe knabberte eine Weile an Baltasars linkem Ohr, dann setzte er sich schnabelklappernd auf des Dicken Wamme und rutschte so lange hin und her, bis die Lage ihm genehm war.
    »Die Damen«, sagte Baltasar schläfrig, »werden sagen, typisch bekloppte Chauvi-Tour, dies.«
    Goldberg nickte. »So was Ähnliches hat Sarah mir durchs Telefon an den Kopf geworfen.«
    Henry, von hinten, meldete sich ebenfalls zu Wort. »Eva hat mir die Hölle heißgemacht – oder sie wollte. Eigentlich ist sie ja ganz nett.«
    Baltasar gähnte. »Bleib angeseilt. Oder seil dich ab. Deine Sache.«
    Goldberg hupte einen aus der rechten Spur biegenden LKW an. »Andererseits«, sagte er, »ist in diesem Wagen wahrlich nicht für sechs Leute Platz.«
    Baltasar öffnete ein Auge und stierte den Raben an. »Sieben, wenn du dieses Vieh mitrechnest. Aber das ist nicht das Problem.«
    Hoff kicherte hohl. »Er hat es schon wieder raus. Baltasar weiß alles. Was, bitte, ist denn das Problem?«
    Matzbach streckte die Hand nach hinten aus, schlaff. »Gib mir«, verlangte er, »die Pistole. Bei den billigen Reden, die du führst, ist ja keiner seines Lebens sicher.«
    Hoff reichte ihm schweigend das erbetene Objekt; Baltasar steckte es in die Jackentasche und schloß wieder die Augen. Matt sagte er: »Das Problem ist, daß die Frauen viel vernünftiger sind als wir. Sie wollen ja gar nicht mit. Sie finden nur, daß wir die Sache den zuständigen Behörden überlassen sollten und daß abenteuernde Männer erstens verrückt sind und ihnen zweitens auf die Nerven gehen. Sie haben ja völlig recht. Aber das Vernünftigste zeichnet sich in diesem Fall durch grauenerregende Langeweile aus.«
    Er legte den Kopf auf die Seite.
    »Weckt mich, wenn was passiert. Oder wenn Poe auf den Topf will. Meine Brusttasche ist in diesem Zusammenhang tabu.«
    Infolge ihrer Abfahrtszeit gerieten sie in sämtliche Staus zwischen Leverkusen und Kamen. In der Nähe von Osnabrück begann das absolute Schlechtwettergebiet mit zweierlei Niederschlägen.
    Matzbach bemerkte von all dem nichts; er schnarchte leise. Kurz vor Bremen wachte er auf, als Goldberg eine Tankstelle ansteuerte. Anschließend übernahm Hoff das Lenkrad.
    Wenig später blickte Baltasar auf die Uhr. »Wenn wir durchfahren, sind wir um drei Uhr in St. Peter-Ording. Was, so frage ich mich, sollen wir zu einer solchen Zeit bei diesem Wetter

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