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Und oben sitzt ein Rabe

Und oben sitzt ein Rabe

Titel: Und oben sitzt ein Rabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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sollen, nicht über Makler, sondern über Anzeigen oder so. Leider hatte ich ja noch ein paar andere Sachen zu tun. Der dritte Zufall brachte die Sache endgültig ins Rollen. Der Bundesrechnungshof ermittelt wegen finanzieller Unsauberkeiten beim Ramersdorfer Autobahnbau. Mein Kontaktmann im Verkehrsministerium hat plötzlich Feuer unter dem Hintern bekommen und sich überlegt, ob er auf dem Weg einer Selbstanzeige mit folgendem freiwilligen Ausscheiden einem Verfahren wegen Bestechung im Amt mit Entlassung und anderen Folgen entgehen kann. Er hat sich ausgerechnet Naumann als Anwalt ausgesucht, um die Pros und Contras durchzusprechen. Dabei hat Naumann ihn davon überzeugt, daß, wenn überhaupt, nur rückhaltlose Offenlegung aller Einzelheiten ihm helfen kann. Also hat er Naumann meinen Namen genannt. Er hat mich zwar anschließend gewarnt, aber da war alles zu spät.«
    Stücker seufzte abermals und nahm das Bein vom Tisch. Er stand auf, blickte auf die Uhr, legte die Hände auf den Rücken und begann im Zimmer auf und ab zu gehen.
    »Vierter Zufall. Jemand hat Wind von der KGB-Liste bekommen und in einem unsäglichen Lokalblatt einen Bericht veröffentlicht mit dem Titel: ›Unbescholtener Bürger KGB-Agent?‹ Der Bericht enthielt nur Initialen und vage Andeutungen der Wohngegend des Verstorbenen. Naumann hat ihn gelesen und sich alles zusammengereimt. Dann hat er mich angerufen und mir am Telefon auf den Kopf zugesagt, daß ich a) besteche und b) mit dem KGB zusammenarbeite und welche Vorschläge ich hätte, um ihn von einer Anzeige abzuhalten.«
    Baltasar blickte Stücker nachdenklich an. »Das erklärt Ihre plötzliche Hast und die verschiedenen Fehler, die sich aus der Eile ergaben.« Er schwieg einen Moment, setzte dann hinzu: »Aber wie kam die KGB-Geschichte in Pressezirkel?«
    »Was bleibt in Bonn denn geheim? – Egal, jedenfalls mußte ich meinen Rückzug beschleunigen, meine, hm, Latifundien verkaufen, unter Preis und schnell, und zusehen, daß ich vor dem großen Gewitter verschwinde. Naumann wurde ungeduldig. Ungefähr eine Woche vor seinem, eh, Ableben habe ich ihn angerufen und ihm gesagt, wir könnten uns unauffällig in Köln, bei der Verbengesellschaft, treffen. Da war er, kurz bevor die Sache kritisch wurde, erstmals aufgetaucht. Das wäre natürlich blöder Zufall Nummer x. Ich hatte noch keine genauen Pläne. Der Zufall ergab es, daß es heiß war und alle ihre lacken auszogen. Da habe ich beschlossen, etwas zu tun. Ich kannte mich ja in dem Haus aus und wußte, daß in einer bestimmten Schublade Wachskerzen lagen. Ich habe Abdrücke seiner Schlüssel gemacht und sie zu einem Schlosser gebracht, der ebenfalls zu meinen Freunden von der anderen Seite gehört. Sie haben bestimmt Verständnis dafür, daß ich den Namen nicht nenne.«
    Er blieb stehen, lehnte sich an die Tischkante und lachte.
    »Naumann war dumm. Ich hatte nicht vor, ihm etwas zu tun, wenn es nicht unbedingt sein mußte. Er wollte eine knappe Million. Ich habe versucht, ihn zu vertrösten. Ich wollte sehen, ob ich nicht alles über die Bühne bringen und verschwinden kann, bevor er ungeduldig wird.«
    Er zuckte mit den Schultern.
    »Das ging leider nicht. Ich wurde meine Häuschen und mein Geschäft nicht so schnell los, und nach all der Arbeit will ich natürlich nicht mit leeren Händen abhauen. Jedenfalls rief Naumann mich dienstags an und sagte, wenn er nicht bis Donnerstag früh Geld sähe, würde er reden. Dann habe ich mir mein Alibi verschafft, wie Sie wissen, und es war ein Vergnügen, und dann habe ich Naumann besucht. Ich nahm an, daß er wohl nicht so dumm wäre, in der Kanzlei Schriftsätze herumliegen zu lassen, die ihn indirekt belasten, wegen Erpressung und so, und daß er sie, wenn überhaupt, so spät wie möglich in der eigenen Wohnung anfertigt. Ich habe alles gefunden, es lag sauber in der obersten Schreibtischschublade, Original und Durchschläge. Ich brauchte nicht lange zu suchen. Danach hatte ich wieder Zeit, bis Sie mit Ihrer dicken Nase kamen. Dann mußte ich endgültig die Uhren vorstellen, um bei dem schönen Bild zu bleiben.«
    Baltasar musterte sein Gegenüber. »Warum haben Sie nicht versucht, mich umzunieten?«
    »Pfui, welch häßliches Wort. Also, dafür gab es zwei Gründe. Erstens war ich inzwischen mit dem Verkauf so ziemlich fertig, bis auf die Villa hier oben. Zweitens war mir klar, daß Sie nicht versuchen würden, mich zu erpressen, und daß Sie infolgedessen vermutlich Ihre Kenntnisse

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