Und plötzlich gehörst du ihm...
frisch und legte die Sachen zurecht. Dann setzte ich mich auf den Sessel
am Fenster. Barbara saß hinter mir, um alles zu beobachten.
Am Fenster erschien ein Mann.
Er wirkte ziemlich ungepflegt. Mit Gesten fragte er, wie viel Geld ich haben
wollte.
»Fünfzig Gulden«, flüsterte
Barbara hinter mir.
Ich gab mit den Fingern
Zeichen. Der Mann schüttelte den Kopf und ging weiter. Ich war erleichtert,
wusste aber, dass es nicht der einzige potentielle Kunde bleiben würde.
Viele Männer blieben vor dem
Fenster stehen, musterten mich und liefen weiter.
»Wahrscheinlich glaubst du,
dass es gut für dich ist, wenn die Männer nichts von dir wollen. Aber Mike
schluckt das nicht, Kleine. Du musst sie mehr anlocken«, flüsterte Barbara
wieder hinter mir. Sie hatte Recht, so kam ich nicht weiter.
Meine Aufmerksamkeit wurde
durch eine Gruppe junger Männer geweckt, die vor dem Fenster stehen blieben.
Auch sie fragten gestenreich, wie viel ich verlangte. Wieder zeigte ich es
ihnen. Die Männer begannen zu lachen. Einer machte mir mit Zeichen klar, dass
sie alle zusammen für fünfzig Gulden wollten. Ich schüttelte heftig den Kopf.
»Du musst verhandeln«,
flüsterte Barbara hinter mir.
»So kannst du auf einen Schlag
eine Menge Geld verdienen.«
»Ich gehe aber nicht mit allen
gleichzeitig in mein Zimmer«, beschwerte ich mich.
»Oh doch! Das wirst du wohl
müssen! Wenn sie genug bieten, hole ich sie rein.«
Bei dem Gedanken drehte sich
mir der Magen um. Ich begann zu würgen.
Barbara stürzte an mir vorbei
und zog die Gardine zu. »Was ist los mit dir?«, fragte sie.
»Ich habe heute noch nichts
gegessen, und mir ist unheimlich übel.«
»Mein Gott, Merel! Wenn du
einen Ton gesagt hättest, hätten wir unterwegs doch etwas zu essen für dich
besorgen können«, sagte sie freundlich. »Weißt du was? Du gehst jetzt zu der
Imbissbude da drüben an der Ecke, und ich arbeite solange für dich. So kannst
du doch nicht anschaffen!«
Sie nahm zehn Gulden aus ihrem
Portemonnaie und gab sie mir.
Dankbar nahm ich das Geld
entgegen, schnappte mir meine Jacke und steckte den Zehner in die Tasche. Ohne
ein weiteres Wort ging ich raus und zog die Tür hinter mir zu.
Auf der Straße war wieder viel
los. Jede Menge Männer waren unterwegs. An der Straßenecke entdeckte ich die
Imbissbude. Ich zog den Reißverschluss meiner Jacke hoch, um mein Gesicht
hinter dem Kragen zu verbergen. Ich wagte niemanden anzuschauen. Bei jedem
Mann, dem ich begegnete, hatte ich das Gefühl, dass er mich geil musterte. Ich
beschleunigte meine Schritte, um so schnell wie möglich zu der Imbissbude zu
kommen.
Drinnen schlug mir der Geruch
von Fett entgegen. Ich schaute mich kurz um. Außer mir gab es keine Kunden.
Hinter der Theke stand ein älterer Mann und schaute mich freundlich an. »Kann
ich dir helfen?«, fragte er.
»Eh, ja, eigentlich schon«,
sagte ich. »Ich möchte nur erst mal gucken, wonach mir ist.«
»Lass dir Zeit«, sagte er
gutmütig.
Während ich all die leckeren
Sachen betrachtete, wurde mir klar, dass dies die Chance zur Flucht war.
Hinter mir hörte ich die
Türglocke bimmeln. Jemand kam herein. Das war mir ganz recht. So hatte ich
länger Zeit, mir einen Plan zu überlegen.
Die Person, die gerade
hereingekommen war, stellte sich neben mich. Automatisch schaute ich hin. Es
war Ron! Wütend sah er mich an.
»Was machst du denn hier?«,
fragte er.
»Barbara hat mir Geld gegeben.
Ich habe heute noch nichts gegessen, und mir zittern die Knie«, erklärte ich
ihm mit bebender Stimme. »Sie meinte, es wäre besser, wenn ich erst etwas esse,
sonst kann ich meine Arbeit nicht gut machen.«
»Sitzt sie jetzt alleine am
Fenster?«
»Ja, sie arbeitet solange für
mich, bis ich zurück bin. Warum?«
»Dann gehe ich jetzt sofort zu
ihr. Es ist zu gefährlich, sie da alleine sitzen zu lassen«, sagte er
ungehalten. »Und du siehst zu, dass du in fünf Minuten zurück bist!«
Ron wandte sich an den Mann
hinter der Theke: »Sorg dafür, dass sie in fünf Minuten fertig ist.«
Der Mann sagte nichts. Er
nickte nur.
Ron drehte sich um. Er
grabschte mir den Zehner aus der Hand und steckte ihn in die Hosentasche. »Lass
anschreiben!«, befahl er mir. »Ich halte es nicht für klug, dir Geld zu geben.«
Benommen schaute ich ihm
hinterher. Warum hatte er mir das Geld weggenommen?
Mir blieb keine Zeit, länger
darüber nachzudenken, denn der alte Mann war um die Theke herumgekommen und kam
auf mich zu. Ängstlich blickte ich ihn
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