...und plötzlich war alles ganz anders... (Kriminalromane) (German Edition)
ich habe Sie gleich wiedererkannt“, sagte Dini eifrig, „Sie waren am letzten Sonntag im Oktober hier. Ich weiß es noch genau, es war der Sonntag an dem wir Signor Manzo tot aufgefunden haben. Im Torbogen der Burg haben wir ihn gefunden.“ Dini sah Gabler verständnislos an: „Aber daran müssen Sie sich doch erinnern, Sie standen zwischen all den Vecchietti, den alten Leuten, wissen Sie das denn nicht mehr? Ich habe Sie genau erkannt.“
Er starrte Gabler an, als ob er einen Geist begegnet wäre.
„Wenn ich gewusst hätte, dass Sie ein Kommissario sind, dann hätte ich Sie doch angesprochen. Aber ich dachte Sie seien nur ein Tourist. Deshalb sind Sie mir ja aufgefallen, weil wir in diesem ungastlichen Ort, wie Sie sagen, kaum Fremdenverkehr haben.“
Gabler wurde es plötzlich sehr heiß und sein euphorisches Gefühl versackte wie der leere Eimer in einem wasserlosen Brunnen.
„Da müssen Sie sich irren Signore. Es ist schon richtig, dass ich an diesem Wochenende in Italien war, aber ich war etwas weiter südlich, in Rimini“, sagte er halbherzig und ohne rechte Überzeugungskraft. Man sah ihm an, dass er log.
Martelli beschloss das nutzlose Gespräch zu beenden, sie hatten wichtigeres zu tun. Er würde Gabler auf der Heimfahrt darauf ansprechen: „Lassen wir das jetzt“, sagte er, „können wir kurz die Akten durchgehen, damit ich mich über den Ermittlungsstand informieren kann?“
Commissario Dini schüttelte verzweifelt den Kopf, endlich wandte sich aber auch er wieder der aufgeschlagenen Akte zu.
„Wir haben das Projektil, aber viel mehr haben wir nicht. Aus welchem Typ Pistole es abgefeuert wurde, habe ich Ihnen ja bereits gesagt Commissario.“
Dini sah immer wieder Gabler an und zuckte mit den Schultern.
„Der Täter hat außer dem Projektil keinerlei Spuren hinterlassen. Die Tat muss zwischen dreiundzwanzig Uhr und ein Uhr nachts geschehen sein, das sagt unser Pathologe, natürlich gibt es da keine Zeugen. Wir leben hier auf dem Land, da rennen die Leute nicht mitten in der Nacht auf der Straße herum.“
Martelli nickte, genauere Ergebnisse hatte er auch nicht erwartet. Zum Glück würde die DNA-Probe nun leicht zu beschaffen sein. Der Fall war abgeschlossen, dennoch brauchte er die Spuren, um den Fall zu den Akten legen zu können.
„Haben Sie auch die Patronenhülse gefunden?“, fragte Gabler und blätterte nervös in den Unterlagen. Er verstand kein Wort was darin stand, sein Italienisch beschränkte sich auf typisch deutsches Strandvokabular, wie „Ciao bella“ und „Buon giorno“. Und das wollte er dem Commissario nun doch nicht antun.
„Nein, die hat der Täter wohl eingesammelt. Nur die Kugel, an die ist er nicht herangekommen, sie steckte im Körper des Opfers“, sagte Dini und sah dabei kopfschüttelnd auf Gabler.
Für einen Moment zu lange betrachtete Gabler das Bild des Toten und ein Schauer rann ihm den Rücken hinunter. Er hatte Franco Manzo seit wenigstens zwanzig Jahren nicht mehr gesehen. Der Tod hatte seinem Gesicht einen friedlichen Ausdruck gegeben, so als ob nun jede Schuld von ihm genommen sei. Und doch erkannte er ihn sofort wieder. Es war Franco Manzo, der unbeherrschte Choleriker, der ständig Aufbrausende, der verantwortlich war für die Schwierigkeiten in denen er steckte.
Amüsiert sah Martelli seinen Freund von der Seite an. Dann wandte er sich wieder an seinen italienischen Kollegen: „Haben Sie versucht in Ihrer Datenbank die Patrone zuzuordnen?“
„Ja, haben wir, aber wir sind leider nicht fündig geworden, sie muss aus dem Ausland stammen, dieser Waffentyp wird bei uns nur selten benutzt“, sagte Dini.
Beim letzten Satz sah er wieder Gabler so merkwürdig an: „Es wird Zeit, dass wir mal in Europa die Datenbestände abgleichen. Es ist zum Verzweifeln, in Europa kocht jedes Land sein eigenes Süppchen, nur die Verbrecher haben Europa schon realisiert, die arbeiten international.“
Martelli lachte bei Dinis letzter Bemerkung. Er hatte noch gut in Erinnerung, wie schwierig es gewesen war, die italienischen Behörden von München aus dazu zu überreden, die Leiche freizugeben und die Ermittlungsergebnisse den deutschen Kollegen auf dem Kurierweg zu überstellen. Aber er wollte Dini nicht beleidigen, deshalb sagte er nichts.
***
Es dauerte bis in den späten Nachmittag hinein, dann waren sie endlich fertig. Dini schien vergessen zu haben, dass er Gabler vor drei Wochen gesehen hatte, ja er freundete sich mit ihm regelrecht
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