Und Rache sollst du nehmen - Thriller
großen Ketten, damit die Kundschaft wiederkam. Billy kannte seine Pappenheimer zweifellos alle namentlich, er wusste, mit wessen Frau er lieber nicht sprechen sollte, wessen Geheimnisse er bewahren musste, wem er Kredit gewähren konnte und wem nicht.
Ein bisschen zwielichtig musste er schon sein, anders ging es nicht, aber es wirkte noch alles halbwegs legal. Okay, eine oder auch zwei Handvoll Wetten würden niemals in der Steuererklärung auftauchen. Und vielleicht zahlte er eine kleine Versicherung, damit sein Laden nicht spontan in Flammen aufging, ein bisschen Schutzgeld, damit ihm auf dem Weg zur Bank nicht die Tageseinnahmen abhandenkamen.
Billy der Buchmacher war Ende fünfzig, ein heiterer, grauhaariger Mann, ungefähr eins siebzig, mit einer Stahlbrille auf der Nase, einem violetten Gesicht und einem ansehnlichen Bäuchlein. Bauch, Gesicht und Nase – ganz zu schweigen von seinen mittäglichen Besuchen in der Imperial Bar – ließen darauf schließen, dass er Bier und Whisky zu schätzen wusste.
Von seinem Laden bis zu seinem Eigenheim, einer großzügigen Doppelhaushälfte in Whiteinch samt Vorder- und Hintergarten, brauchte man mit dem Auto kaum eine Viertelstunde. Billys Frau war eine verlebte Gestalt in Achtziger-Jahre-Klamotten, mit überstrapaziertem Haar und nikotinfarbener Haut. Bei zwei Gelegenheiten bekam ich auch zwei jüngere Typen zu Gesicht, wahrscheinlich erwachsene Söhne, die dem elterlichen Nest entflogen waren.
Ich beobachtete, wie Billy in seinen Wagen stieg und zum Laden fuhr.
Ich beobachtete, wie er vom Laden zur Bank lief und ganze fünfmal stehen blieb, um mit diesem oder jenem Passanten zu plauschen.
Auf dieser Straße gab es niemanden, den Billy Hutchison nicht gekannt hätte, und alle kannten ihn. Für die meisten hatte er ein Witzchen übrig, für andere ein paar ruhigere Worte, und für jeden ein fröhliches Lächeln. Er verstrubbelte den Kleinen die Haare, er streichelte Hunde, er winkte vorbeifahrenden Autos zu. Wahrscheinlich hätte er auch alten Damen über die Straße geholfen, wenn eine von ihnen Bedarf angemeldet hätte. Er war der reinste Weihnachtsmann, der noch dazu 30:10 auf Platz im Angebot hatte.
Egal. Auf seinen Namen hatte mein Finger gedeutet, und nichts anderes zählte. Die vollendete Fotze Carr hatte es mir leichtgemacht, aber darum ging es nicht. Zufall ist Zufall.
Ich drückte mich in den Pub und beobachtete Billy. Im Imperial fühlte ich mich deutlich wohler als damals
im Corinthian. Zwischen Bier, Banditen und Schiebermützen konnte ich leichter verschwinden als zwischen Schampus und Schaumschlägern. Niemand würdigte mich eines Blickes.
Billy hielt an einem Ecktisch Hof. Um ihn herum saßen seine Saufkumpane, es wurde viel gescherzt und gestikuliert. Sie hatten alle ihren Spaß, aber Billy war der unbestrittene König.
Die Schiebermützen – ob sie nun tatsächlich welche aufhatten oder nicht – wussten, was von ihnen erwartet wurde. Sie konnten sich Sticheleien gegen Billy erlauben, sie konnten einen Witz auf seine Kosten reißen, alles kein Problem. Aber wenn Billy sprach, hörten sie zu und lachten. Er war der Mann mit dem Geld, und das brachte ihm Ansehen ein.
Ich beobachtete, wie er ein Pint Special und einen doppelten Whisky kippte und einen Teller Lasagne mit Pommes herunterschlang. Lasagne mit Pommes? Den sogenannten Koch hätte man umbringen sollen.
Danach genehmigte Billy sich noch ein Pint und zwei weitere Doppelte. Zu dem Mischmasch aus Pommes und Lasagne gesellte sich ein Apfelkuchen mit Sahne.
Er hatte Lasagne auf dem Hemd, Sahnetupfer auf dem Kragen und eine bunte Mischung des ganzen Menüs im Gesicht. Zur Feier des Tages wischte er sich noch mit dem Handrücken über den Mund und rülpste. Was sich da Luft verschaffte, war kein harmloses Bäuerchen, sondern ein gewaltiges Grollen, das er noch steigerte, indem er es tief aus seiner Wampe röhren ließ.
Billy der Buchmacher lehnte sich zurück, um den anderen
Gelegenheit zu geben, sein Talent zu bestaunen, und seine Kumpanen stimmten pflichtschuldig in sein Lachen ein.
Wahrscheinlich findet man immer einen Grund, jemanden umzubringen, wenn man nur lange genug sucht. Billy Hutchison – der nette ältere Herr, das rülpsende Ekel – hatte soeben sein Todesurteil unterschrieben. Ich trank mein Bier aus, verließ den Pub und fuhr heim.
Erst zwei volle Wochen später kehrte ich nach Maryhill zurück und betrat Billys Laden. Um kurz nach zwölf war er ins Imperial gegangen,
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