Und raus bist du: Kriminalroman (German Edition)
der Prostitution hineingelockt worden war. Wie der Vollidiot Pontus, ihr damaliger Partner und sogenannter Freund, sie für Geld verkauft hatte, von dem sie selbst nie etwas gesehen hatte. Und wie diese furchtbare Entdeckung für ihn selbst fast den Tod bedeutet hätte, während Pontus ganz unbeschwert das Leben mit Jenny hinter sich gelassen hatte, mit der einzigen Folge, dass seine Brieftasche noch dicker war als zuvor. Sandén war es gelungen, ihn aus seinem – und natürlich Jennys – Leben hinauszukaufen, für die haarsträubende Summe von fünfzigtausend Kronen. Seitdem war er zum Glück nicht mehr aufgetaucht. Für ein juristisches Nachspiel hatte Sandén keine Kraft mehr gehabt, vor allem aber wollte er auch seine Tochter schonen.
Sjöberg musste ihm darin recht geben. Und er drückte die Daumen, dass damit wirklich alles überstanden war. Immerhin hatte er Jenny einen Job bei Lotten an der Rezeption besorgen können, sodass ihr Leben hoffentlich eine Wendung zum Besseren genommen hatte.
»Und du? Geht es euch gut, Åsa und dir?«
Sandén hatte genug von seinen eigenen Problemen geredet und gab den Ball an Sjöberg weiter. Näher würde er einer direkten Einladung zur Vertraulichkeit nicht kommen. Zu neugierigen Fragen oder Anspielungen ließ sich Sandén nicht herab. Direkt zur Sache oder vollständige Diskretion, danach lebte er. Sjöberg hatte schon die ganze Zeit das Gefühl, dass seine Geschichte mit Margit Olofsson nicht so unbemerkt an dem Kollegen vorbeigegangen war, wie er gehofft hatte. Sandén war dabei gewesen, als ihr Verhältnis begonnen hatte; wenn er auch nur das geringste Fingerspitzengefühl besaß, musste er gespürt haben, wie es zwischen ihnen in der Pianobar geknistert hatte.
Und er hatte es gespürt. Sandén war trotz seiner Ungeschliffenheit ein Mensch mit großer Wärme und einem ausgeprägten Sinn für Nuancen. Er musste bemerkt haben, was sich an diesem unglückseligen Abend angebahnt hatte, als Åsa und die Kinder bei den Schwiegereltern in Linköping waren. Er hatte nie etwas gesagt, nicht mit einem einzigen Wort angedeutet, dass er etwas wusste, aber war er nicht ungewöhnlich aufmerksam gewesen, ungewöhnlich ... rücksichtsvoll, in den Monaten nach diesem ersten Fehltritt? Doch, so war es wohl gewesen, dachte Sjöberg. Jens Sandén war seit einer halben Ewigkeit sein bester Freund – seit sie gemeinsam die Polizeischule besucht hatten –, und er spürte eine Wärme in sich aufsteigen, als ihm klar wurde, dass Sandén vermutlich verstand, was seine verlorene Seele umtrieb. Obwohl er die ganze Zeit feinfühlig genug gewesen war, das Thema nicht zur Sprache zu bringen.
Vielleicht waren es der Regen, die Kälte und die schimmernden Lichter dort draußen, im Kontrast zu der Dunkelheit und der Wärme im Auto, die den Ausschlag gaben. Vielleicht war es die emotionsgeladene Atmosphäre oder einfach nur die selbstverständliche Sicherheit, die eine feste und langjährige Freundschaft bot. Jedenfalls überkam ihn ein übermächtiger Drang, alles zu beichten, und Sjöberg erzählte.
Als der Wagen in die Skånegatan abbog, den Nytorget passierte und schließlich hielt, war noch nicht alles ausgesprochen. Lange blieben sie im Wagen vor Sjöbergs Haustür sitzen. Es war der Abend der schmerzlichen Bekenntnisse, und vielleicht würden sie nie wieder darauf zurückkommen. Jetzt aber war es wichtig, und sie konnten beide weitergehen, ein bisschen stärker, ein bisschen reicher. Ein bisschen weniger einsam.
»Nein«, beendete Sandén das Gespräch. »Was würde es nützen, Åsa davon zu erzählen? Es würde ihre Gefühle nur unnötig aufrühren. Und sie zerstören.«
*
Nachts war es kalt, richtig kalt im Schuppen. In dem Raum befand sich ein kleiner Heizkörper, er war an der inneren Wand platziert, in der es keine Fenster gab. Die Winterkälte strömte durch den Spalt unter der Tür und von der kleinen Fensterluke daneben herein. Der Raum war stockdunkel und um ihn herum war es vollkommen still, nur aus der Ferne klang das Brausen der Stadt herüber.
Er spannte alle Muskeln in Händen und Armen an und versuchte, das Seil um seine Handgelenke auseinanderzudrücken. Er wiederholte die Übung zehn Mal, aber es machte nicht den geringsten Unterschied. Es blieb ihm nichts anderes übrig, als immer weiter zu drücken, bis er draußen war. Das war seine einzige Chance, und sie war so gut wie nicht vorhanden, so viel war ihm klar.
Danach legte er sich erschöpft auf den Rücken und
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