Und raus bist du: Kriminalroman (German Edition)
Wunde zu streuen.
Auf einen Schlag war Sjöberg klar, welche Strategie sie in ihren Ermittlungen verfolgen mussten. In einem Fall, bei dem zwei kleine Kinder mit klinischer Kälte abgeschlachtet worden waren, war Rache noch das schlüssigste Motiv. Keine überflüssige Gewalt, keine Leidenschaft; der Mörder kannte wahrscheinlich seine Opfer und hatte nicht im Affekt gehandelt. Der Täter raste vor Wut, aber nicht gegenüber Catherine Larsson und ihren Kindern; mit ihnen tat er nur, was er musste. Erst in seinem Verhalten gegenüber dem eigentlichen Objekt seines Hasses ließ er seinen Gefühlen freien Lauf. Sjöberg trat der kalte Schweiß auf die Stirn, als er daran dachte, wie es Einar jetzt gehen musste, falls er noch am Leben war. Vermutlich misshandelt und wissend, was mit Catherine Larsson und den Kindern geschehen war. Plötzlich fühlte er sich unter Druck, und ein unbändiger Wunsch, mit den Ermittlungen voranzukommen, ließ ihn den Fuß fester auf das Gaspedal drücken.
Er gab Sandéns Nummer auf dem Handy ein, der sich fast umgehend meldete.
»Hier ist Conny. Habt ihr etwas gefunden?«
»Nicht direkt. Keinen Pass zum Beispiel. Obwohl er einen haben müsste.«
Sjöberg seufzte.
»Wir haben ein paar Schuhe und anderes Zeug ins Kriminallabor gebracht«, fuhr Sandén fort.
»Habe ich schon gehört. Bella hat angerufen.«
»Und?«
»Sie haben Haare auf beiden Pullovern gefunden und sie passten zueinander. Mit den Fingerabdrücken in der Wohnung war es genauso.«
»Und die Schuhe – war Blut daran?«, wollte Sandén wissen.
»Ja. Catherine Larssons Blut genau gesagt. Hast du Zeit?«
»Klar. Hast du mit der ehemaligen Frau Larsson gesprochen?«
»Dabei ist nichts herausgekommen. Sie liegt im Sterben, sodass wir sie definitiv von der Liste streichen können. Mit Christer Larsson hat sie seit dreißig Jahren nicht mehr gesprochen, und sie hatte nichts Schlechtes über ihn zu sagen. Der Vaterschaftstest hat übrigens ergeben, dass er tatsächlich der Vater der Kinder ist, also brauchen wir in dieser Frage keine Spekulationen mehr anzustellen. Aber darüber wollte ich gar nicht mit dir sprechen.«
»Sondern?«
»Ich bin unzufrieden damit, wie die Ermittlungen laufen. Ich glaube, dass Einar einem Komplott zum Opfer gefallen ist. Das Ganze ist ein Racheakt, der gegen ihn gerichtet ist, sagt mir mein Gefühl. Ich weigere mich zu glauben, dass er schuldig ist.«
»Wo ist deine Objektivität geblieben?«
»Ich meine es ernst. Es gibt hier ein paar Dinge, die nicht stimmen, und ich möchte sie gerne mit dir diskutieren.«
»Schieß los.«
»Warum sollte Einar die Familie ermorden, für die er so viel Zeit und Geld geopfert hat, damit es ihnen besser geht?«
»Da könnte ich mir eine ganze Menge Gründe vorstellen«, sagte Sandén. »Enttäuschung, Rache, Eifersucht. Vielleicht hat sie einen anderen getroffen. Oder einfach Schluss gemacht. Auf irgendeine Weise seinen Vertrauensvorschuss verbraucht. Und sein Kapital. Er hat schließlich verdammte zwei Millionen in diese Frau gesteckt, wenn der Ausdruck erlaubt sein darf. Natürlich wird er wütend, wenn sie ihn auf irgendeine Art enttäuscht.«
»Aber das alles war so klinisch sauber durchgeführt«, wehrte sich Sjöberg. »Wenn das Motiv eins von denen gewesen wäre, die du aufgezählt hast, dann finde ich, hätte man es auch sehen müssen. Die Morde wären von Wut und übersteigerter Gewalt geprägt gewesen.«
»Er hatte wohl keine Gefühle mehr übrig.«
»Na, und warum dann der Mord?«
»Vielleicht hat er es aus ökonomischen Gründen getan.«
»Das Geld hätte er sowieso nicht zurückbekommen. Jetzt hör doch auf, ständig zu widersprechen, Jens.«
»Ich verhalte mich objektiv«, antwortete Sandén, dieses Mal ohne hörbare Ironie.
»Aber warum musste er dann auch noch die Kinder umbringen?«
»Weil sie ihn sonst identifiziert hätten.«
»Kannst du dir vorstellen, wie Einar Eriksson zwei schlafenden Kindern die Kehle durchschneidet?«
»Ehrlich gesagt habe ich überhaupt Probleme, mir Einar Eriksson vorzustellen«, sagte Sandén scharf. »Außerdem kann ich mir nur schwer irgendeinen Menschen auf dem ganzen Planeten vorstellen, der kleinen Kindern den Hals durchschneidet. Aber nachweislich passiert so etwas immer wieder.«
»Es kann nicht Einar gewesen sein, der die blutigen Schuhe in seine Garderobe zurückgestellt hat«, fuhr Sjöberg stur fort. »Er ist doch kein Idiot, glaubst du, dass er darum bettelt, verdächtigt zu
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