Und raus bist du: Kriminalroman (German Edition)
lag, dass sie gegen die Schweigepflicht verstoßen hatte, oder an der Tatsache, dass sie nichts Brauchbares beizutragen gehabt hatte, konnte er nicht entscheiden.
Er ließ sie zu ihrer Arbeit zurückkehren, und während das dumpfe Schlagen der schweren Gutshoftür noch in seinen Ohren klang, ließ er Solveig Eriksson und ihr Solberga hinter sich zurück.
*
Seine Nase hatte sich so weit daran gewöhnt, dass er nur noch gelegentlich von Ekel über sich selbst und die miserable Figur, die er auf dem Boden des Geräteschuppens machte, überschwemmt wurde. An Händen und Füßen gefesselt, die Hose klebrig und durchnässt nach fünf Tagen Gefangenschaft auf einer Fläche, die, begrenzt von der Länge des Seils, mit dem seine Füße an der Wand befestigt waren, bedeutend kleiner war als der Schuppen an sich.
Es gab keinen einzigen Punkt mehr an seinem Körper, der nach unzähligen Stunden in unnatürlichen Haltungen, Kälte, schlechter Hygiene, Durst und Hunger nicht schmerzte. Das Wasser, das er aus der schwer erreichbaren Schale aufschlecken musste, reichte bei Weitem nicht, seinen Durst zu löschen, und die wenigen Krümel, die er sich von den herumliegenden Brotstücken einverleiben konnte, reichten lange nicht, um seinen Magen zufriedenzustellen. Während der ersten Tage war es ihm gelungen, den unangenehmeren Teil der menschlichen Notdurft zurückzuhalten, aber am dritten Tag hatte er Durchfall bekommen, und jetzt konnte oder wollte er seine Bedürfnisse nicht mehr kontrollieren, was genau, wusste er selber nicht.
Zwei Zähne waren ihm bereits ausgetreten worden, als er in den kleinen Schuppen hineingeschafft wurde, obwohl er bewusstlos war, als es passierte. Das eine Auge war von dem Blut einer Stirnwunde verklebt, zwei Finger der einen Hand waren gebrochen und bestimmt auch ein paar Rippen. Trotzdem war es die beißende Kälte, die ihn am meisten plagte, sie ließ seinen ganzen Körper zittern, obwohl er versuchte, sich zu entspannen, um Energie zu sparen.
Er hatte vor langer Zeit die Hoffnung aufgegeben, dass ein Passant ihn hörte oder auf eine andere Weise feststellte, dass in diesem kleinen Schuppen nicht alles mit rechten Dingen zuging. Die einzige Hoffnung, die er noch hatte – und es war keine große Hoffnung; die Seile saßen wie angegossen an seinen Handgelenken –, war die Möglichkeit, die Schlaufen seiner Fesselung so weit zu dehnen, dass er aus den Seilen gleiten konnte. So sah der dünne Strohhalm aus, nach dem er griff, als er sich erneut daranmachte, das widerstandsfähige Material trotz der Schmerzen, die diese kleinen Bewegungen für ihn bedeuteten, zu bearbeiten. Er zog und dehnte, zehn Mal, zwanzig ... Zwanzig Minuten später war er immer noch nicht zum Auto zurückgekehrt. Sie fragte sich bestimmt schon, wo er geblieben war, verstand nicht, warum er beim Schuhmacher so lange brauchte, vermutete aber vielleicht, dass dort sehr viele Leute waren, dass er einen Bekannten getroffen hatte, an dem er aus Höflichkeit nicht einfach vorbeigehen konnte, mit dem er erst ein paar Worte wechseln musste.
Tatsächlich waren sie nur zwei Kunden im Laden, aber der andere – eine hochschwangere Frau von etwa fünfunddreißig Jahren – war plötzlich ohnmächtig geworden, woraufhin er sich mit ihrem Kopf auf seinen Knien auf den Boden setzte, von wo aus er Anweisungen erteilte. Nachdem er zuerst den verwirrten Schuhmacher dazu bewegt hatte, einen Rettungswagen zu rufen, ließ er ihn als Nächstes Handtücher und einen Krug Wasser holen. Damit befeuchtete er das blasse Gesicht der Frau und versuchte so gut es ging, die Wunde an ihrem Hinterkopf zu reinigen, die sie sich bei ihrem Fall zugezogen hatte. Gleichzeitig redete er beruhigend auf sie wie auch auf den halb hysterischen Schuhmacher ein, den er gleichzeitig dazu anhielt, neugierige Passanten aus dem Laden fernzuhalten.
Zur selben Zeit begannen die Jungen auf der Rückbank unruhig zu werden, und die Temperatur im Auto stieg in der strahlenden Maisonne immer weiter. Sie hatte vorgeschlagen, dass sie »Ich sehe was, das du nichts siehst« spielen könnten, und das hatte sie ein paar Minuten im Zaum gehalten, bis beim kleinen Tobias die Konzentration nachließ. Sie hatte ihnen auch ein Märchen erzählt, aber es dauerte nicht lange, bis den Kindern auch das zu langweilig wurde. Da entdeckte sie den Kiosk hundert Meter weiter die Straße hinunter, wo der Fluss einen Bogen machte, und ihr fiel ein, dass heute ja Samstag war und dass sie die Jungen mit
Weitere Kostenlose Bücher