Und raus bist du: Kriminalroman (German Edition)
gar nichts schuldig.«
Nicht einen Augenblick ließ sie ihn aus den Augen. Signe Sjöberg schien eine starke Persönlichkeit zu sein, die man lieber auf seiner Seite als gegen sich hatte. Aber für Sjöberg war es leichter, mit dieser Art von Mensch umzugehen als mit der geduckten, ausweichenden Sorte, zu der seine Mutter gehörte. Er beschloss, an ihre Vernunft zu appellieren und sich gegen die stahlblauen, forschenden Augen zu wappnen.
»Ich war drei Jahre alt. Ich verstehe, dass ich Teil des Verbrechens gegen meinen Vater war, aber ich habe praktisch keine einzige Erinnerung aus dieser Zeit. Also fühle ich mich auch nicht schuldig. Ich habe das Gefühl, dass die Schuldfrage für dich sehr wichtig ist, darum bitte ich dich noch einmal: Erzähl mir, was passiert ist.«
Ihre Augen verrieten nicht, was sie dachte, aber Sjöberg bemerkte, wie sich ihre Lippen anspannten. Er wartete schweigend, bis sie schließlich zu reden begann.
»Das Haus hatte Feuer gefangen. Ihr habt alle zusammen im selben Zimmer geschlafen, aber sie ist aufgewacht und hat dich mit nach unten auf den Hof genommen. Nur dich. Christian ließ sie in den Flammen zurück. Den Leuten ist es später geglückt, ihn herauszuziehen, aber da war es schon zu spät. Er durfte noch ein paar Monate leben, aber was war das für ein Leben?«
Keine Tränen, sowohl der Blick als auch die Stimme waren fest, aber der ganze Raum war von Verbitterung erfüllt. Und all diese Verbitterung war gegen seine Mutter gerichtet. Und ganz offensichtlich auch gegen ihn selbst. Weil er das Glück gehabt hatte, einem Feuer zu entgehen, das ausbrach, als er drei Jahre alt war; weil seine Mutter erst ihren kleinen Sohn aus dem brennenden Haus gerettet hatte und nicht ihren Mann. Sjöberg spürte, wie sich ein Klumpen in seinem Hals bildete. Das war also das Schicksal seiner Mutter; nachdem sie ihren Mann und ihr Zuhause verloren hatte, war ihr noch die Schuld für diesen unersetzlichen Verlust gegeben worden und ihre Schwiegereltern hatten sie verstoßen.
Sjöberg überkam das dringende Bedürfnis, von hier zu verschwinden; er hielt es nicht mehr aus, vor diesem unmenschlichen Steingötzen einer Großmutter zu sitzen und sich ihre absurden Anklagen anzuhören. Äußerlich jedoch ließ er sich nichts anmerken, als er sich von seinem Stuhl erhob.
»Tut mir leid, was passiert ist«, sagte er. »Ich vermute, dass wir uns nicht wiedersehen. Pass auf dich auf, Großmutter.«
Sie schaute ihn mit einem undurchdringlichen Blick an, den er noch ein paar Sekunden erwiderte, bevor er sich ruhig umdrehte und ging.
*
Westman saß natürlich schon in ihrem Büro, als Hamad gegen neun an ihrer Tür vorüberging. Er hatte das Gefühl, heute Morgen und im Laufe des vergangenen Abends genug Selbstvertrauen aufgebaut zu haben, um mit dem nötigen Gewicht in ihr Zimmer treten und sagen zu können, was er zu sagen hatte. Gleichzeitig verfluchte er sich selbst dafür, dass er es nicht schon früher getan hatte. Was allerdings schwierig gewesen wäre, denn er hatte ja nicht die geringste Ahnung gehabt, wo eigentlich das Problem lag. Und dennoch. Es war nie verkehrt, klar Schiff zu machen, wenn einem etwas an einer Freundschaft lag.
Er riss sich die Jacke herunter und warf sie auf den Schreibtisch, ging mit entschlossenen Schritten zu Westmans Büro hinüber und trat ein, ohne anzuklopfen. Sie schaute auf und betrachtete ihn mit einem ausdruckslosen Blick. Er zog die Tür hinter sich zu und setzte sich in den Besucherstuhl, ohne sie um Erlaubnis zu fragen. Lehnte sich zurück, legte die Arme auf die Lehnen und die Beine übereinander und schaute sie nachdenklich an. Sie sah vollkommen gleichgültig aus.
»Wir müssen reden«, sagte er.
»Aha.«
Verachtung.
»Ich wiederhole: Ich weiß, was du glaubst, aber du bist auf dem Holzweg. Deinetwegen und meinetwegen und auch wegen des Teams müssen wir dieses Problem lösen.«
»Wegen des Teams?«
»Die Direktorenmafia droht mit Zerschlagung, wenn wir es nicht schaffen, zusammenzuarbeiten.«
»Oh, da habe ich aber Angst. Bestimmt werde ich diejenige sein, die gehen muss.«
Ironie. Wie konnte sie nur so sicher sein, dass er in der Bredouille steckte und nicht sie selbst?
»Und du hast keinen blassen Schimmer, was ich glaube«, fügte sie hinzu.
Er wappnete sich, versuchte selbstsicher auszusehen, obwohl seine Hände zittern würden wie die eines alten Alkoholikers, wenn er es wagen würde, den Griff um die Armlehnen zu lockern.
»Doch. Du
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