Und Sei Getreu Bis in Den Tod: Mitchell& Markbys Letzter Fall
ist allerdings etwas Ernsteres«, sagte Meredith nüchtern. Sie fragte sich, ob Toby ihr erzählen würde, was für ein spezifisches Ereignis das gewesen war, oder ob sie ihn danach würde fragen müssen. Das Problem mit Familiengeheimnissen war, dass die Leute sie nur zögerlich mitteilten, selbst wenn sie gezwungen waren, Hilfe zu suchen. Jeremy, Alison und Toby würden lernen müssen, über ihre Geheimnisse zu sprechen. Meredith versuchte es zunächst auf einem Umweg. »Der Briefeschreiber hat kein Geld verlangt, habe ich Recht?«
»Nein, noch nicht jedenfalls. Er erhebt lediglich eine Anschuldigung, immer und immer wieder, und er droht, alles publik zu machen.«
»Wo ist der Brief jetzt?«
»Bei der Polizei. Sie versuchen Fingerabdrücke zu finden oder so etwas. Alison ist außer sich bei dem Gedanken, dass die Cops ihn lesen. Sie möchte nicht, dass irgendjemand davon erfährt. Jeremy kennt die Geschichte, weil sie ihm alles erzählt hat, als sie geheiratet haben. Ich weiß es, weil er mir alles am Telefon erzählt hat. Aber niemand sonst weiß etwas, es sei denn, der Schreiber setzt seine Drohung in die Tat um und macht alles publik. Falls es ein Schreiber ist und nicht eine Schreiberin, was wir nicht wissen. Ich würde sagen, es ist eine Frau. Frauen machen solche Dinge.«
»Die Waffe der Frau ist Gift, ob nun in einer Flasche oder auf Papier niedergeschrieben, meinst du? Es gibt genügend Männer, die solche Briefe geschrieben haben.«
»Schon gut. Wir nehmen mal an, dass es ein Mann war, okay? Alison ist jedenfalls in Panik. Sie sagt, sie müssten das Haus verkaufen und fortziehen, wenn die Geschichte bekannt würde. Die Leute auf dem Land sind schon merkwürdig. Sie zeigen ein ungesundes Interesse für Dinge, die sie nichts angehen, und Gerüchte verbreiten sich wie Lauffeuer.«
»Nicht mehr als in der Stadt«, widersprach Meredith in dem Bemühen, das Leben auf dem Land zu verteidigen.
»Glaub das bloß nicht. Die Bauern sind absolut scheinheilig, und sie können erbarmungslos sein, wenn sie glauben, dass man sich nicht einfügt. Auf dem Land ist so wenig los, dass das gesellschaftliche Leben alles ist. Von jeder Gästeliste gestrichen zu werden bedeutet eine Katastrophe. In der Stadt sucht man sich neue Freunde, dort gibt es einen größeren Pool, wenn man so will. Auf dem Land ist man auf seine Nachbarn angewiesen. Wenn der Inhalt dieses Briefes bekannt wird, dann werden sie Jeremy und Alison schneiden, ohne Zweifel. In der Stadt gibt es zu viele andere Dinge, als dass sich irgendjemand um das scheren würde, was sein Nachbar treibt.«
»Conan Doyle«, warf Meredith ein, nicht bereit, in diesem Disput so schnell nachzugeben. »Conan Doyle hat geschrieben, dass es sich genau andersherum verhält. Oder wenigstens sagt Holmes das in einer seiner Geschichten. Holmes sagt zu Watson, dass niemand genau weiß, was auf dem Land so passiert, weil die Menschen so isoliert sind.«
Toby dachte über ihr Argument nach. »Wie dem auch sei – diese ländliche Stille und dieser scheinbare Frieden tun den Leuten nicht gut. Es macht sie merkwürdig, und wer weiß, was in ihren Köpfen vorgeht?«
»Willst du andeuten, dass einer von ihnen Alisons Geheimnis entdeckt hat und diese Briefe schreibt, um es ihr zu zeigen? Aber wie hat er es herausgefunden? Wenn wir das in Erfahrung bringen, wissen wir vielleicht schon, wer es war.« Meredith runzelte die Stirn. »Warum Alison mit Drohungen quälen? Wenn das Ergebnis, wie du sagst, zu sozialer Isolation führen würde, warum erzählt der Unbekannte es nicht allen, wenn sein Ziel ist, ihr zu schaden? Stattdessen schreibt er ihr Briefe. Was will er bezwecken?«
»Das ist eine Frage, die keiner von uns beantworten kann. Alison würde keiner Fliege etwas zuleide tun. Sie hat keine Feinde.«
»Sie hat zumindest einen Feind«, berichtigte Meredith ihn. »Es sei denn, diese Briefe sind nur ein übler Scherz. Hat sie den Umschlag behalten? Wenn der Schreiber die Marke geleckt hat, finden sich darauf vielleicht Spuren von seiner DNS.«
»Siehst du? Du weißt so viel über diese Dinge. Ich wusste, dass es richtig war, mit dir zu reden!« Tobys Gebaren war das eines Mannes, der erfolgreich eine Bürde auf eine andere Schulter abgeladen hatte.
Ich bin eine dumme Kuh, dachte Meredith. Warum hab ich zugelassen, dass er mir die Sache in den Schoß legt? »Noch eine Sache«, sagte sie. »Und es ist wichtig. Bevor ich mich entscheide, ob ich Alan diese Geschichte erzähle, muss ich wissen, worum
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