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Und stehe auf von den Toten - Roman

Titel: Und stehe auf von den Toten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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ein dritter für die Muslime? Er wusste es nicht. Er wusste nur, dass er Deborah für alle Ewigkeit verloren hatte, in diesem wie im nächsten Leben.
    Prospero versuchte, die trüben Gedanken zu verscheuchen, für die er die Trostlosigkeit der leeren Straße verantwortlich machte. Das schäbige Grau der alten Mauerwerke, die Risse und der blätternde Putz verliehen den Häusern ein räudiges Aussehen, als wären sie von den Blattern befallen. Die schwarzen Wolken, die am Himmel aufgetaucht waren, schluckten das Sonnenlicht. Ein kühler Wind machte sich auf und pfiff durch die Straßen.
    Prospero verließ die Via Rua und eilte durch kleine, ebenfalls leere Gassen. Die Tür des Wohnhauses gegenüber der Synagoge war heute fest verschlossen. Prospero trat ein paar Schritte zurück, schaute in den dritten Stock, holte tief Luft und rief mehrmals nach Benjamin. Er hatte den Arzt ebenfalls im Laufe seiner Ermittlungen zum Mordfall »Angelo« kennengelernt, und trotz ihrer unterschiedlichen Glaubensansichten hatte sich eine tiefe geistige Verbundenheit zwischen den beiden Männern hergestellt. Nach einer
Weile erschien das längliche Gesicht Benjamins im Fenster. Er blinzelte hinunter.
    »Ich bin es, Prospero Lambertini!«, rief der Hilfsauditor ungeduldig. Benjamin stieß einen Laut der Überraschung aus, dann war er verschwunden und tauchte wenige Minuten später auf der Straße wieder auf.
    »Großer Gott, ein Priester vor dem Lehrhaus? Willst du konvertieren?«
    »Ja, an dem Tag, an dem du mit mir Schweinefleisch isst.«
    »Auf deiner Hochzeit, mein Freund, auf deiner Hochzeit teilen wir uns einen saftigen Schweineschinken. Versprochen!« Benjamin grinste. »Apropos Hochzeit, weißt du schon, dass Deborah heiraten wird?«
    Die Worte trafen Prospero wie ein dumpfer Schlag in der Magengrube. Ihm blieb der Atem weg. »Deborah... heiratet?«
    Benjamin wunderte sich über die Reaktion des Hilfsauditors. »Ja! Nun was? Soll sie denn als Jungfrau sterben, weil ihr Christen meint, dass es Gott wohlgefällig ist, wenn ihr euch alle Lust und Freude verbietet? Hätte er das gewollt, würde sich der Mensch durch Windbestäubung fortpflanzen.«
    Doch Benjamins Spott erreichte ihn nicht mehr. Deborah heiratet, hämmerte es in seinem Kopf. Ihm war, als bräche die Welt vor seinen Augen wie eine überreife Melone, die aus großer Höhe auf das Pflaster knallt, auseinander.
    »Aber genug davon. Was treibt dich zu mir?«
    Ja, was eigentlich? Prospero zwang sich zur Konzentration. »Bitte geh zu Gioacchino. Deine Hilfe als Arzt ist gefragt, wenn es auch mehr die Seele betrifft. Vellonis Schwester wird vermisst. Wir suchen sie. Ich fürchte, dass
die Angst um Cäcilia, so heißt das Mädchen, ihm die Sinne raubt. Stärke den Körper, dass die Seele tragen kann, was man ihr aufladen wird.«
    »Es ist Karneval.«
    »Ja, es ist Karneval. Wir wollen das Beste hoffen und auf das Schlimmste gefasst sein.«
    »Ich bin Arzt, kein Priester.«
    »Du sollst Velloni ja nur am Verrücktwerden hindern. Morgen oder übermorgen taucht Cäcilia um einige Erfahrungen reicher und ein paar Illusionen ärmer wieder auf.«
    Prospero hatte Capraras Prognose einfach nachgeplappert. Er wusste selbst nicht, ob er ihr glauben sollte oder nicht, auch wenn er von ganzem Herzen hoffte, dass sein Mentor Recht behalten würde. Prospero selbst verfügte weder über Erfahrungen mit dem Karneval, noch kannte er sich im Verhalten junger Mädchen in dieser unwirklichen Zeit aus. Insofern war es richtig, einen Spezialisten wie Spigola einzuschalten.
    Es war alles gesagt. Prospero setzte sich schwerfällig in Bewegung, während in seinem Kopf die Gedanken wie wild umhersprangen. Am liebsten hätte er sofort alles darangesetzt, die Hochzeit zu verhindern. Dann empfand er sie wieder als Chance, Deborah endgültig zu vergessen. Vielleicht war dies die Hilfe, um die er Gott angefleht hatte. Deborah würde einen guten Mann bekommen und glücklich sein. Was wollte er denn mehr? Mehr als die Frau, die er liebte, in einem Glück sehen, das er selbst ihr nicht zu bieten vermochte, war für ihn nicht möglich. Die Fesseln des Gelübdes brannten so heiß wie schon lange nicht mehr um sein Herz.

7.
    P lötzlich stand er vor dem Haus des alten Auditors Spigola in Campitelli. Prospero Lambertini wunderte sich, wie schnell er hierhergelangt war. Völlig in seinen Grübeleien versunken, musste ihm entgangen sein, dass er den Weg fast laufend zurückgelegt hatte. Mit einem Kopfschütteln

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