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Und stehe auf von den Toten - Roman

Titel: Und stehe auf von den Toten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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durch das Engagement Einzelner statt. Dennoch hatten die Päpste seit dem überaus sittenstrengen Sixtus V. energisch durchgegriffen. Und nun dies.

    Albani, vermutete Prospero, schien zu hoffen, dass die Morde von selbst aufhören würden, wie eine Seuche endet, wenn sie sich ermüdet hat. Aber warum unternahm der Pontifex nichts? Wovor fürchtete sich der Papst, wenn er lieber den Fortgang der Schandtaten als eine Massenhysterie in Kauf nahm, die sicherlich mit ein paar Regimentern der Schlüsselsoldaten in Zaum zu halten war? Caprara hatte Recht, wenn er versuchte herauszufinden, in welcher politischen Klemme der Papst steckte.
    Spigola hatte ihn, während sein Gehirn auf Hochtouren arbeitete, beobachtet. Er schenkte Prospero nun zum ersten Mal einen freundlichen Blick.
    »Zerbrechen Sie sich nicht den Kopf über das Unbegreifliche. Der Heilige Vater hat es angeordnet, und wir haben es zu befolgen. Papa locuta, causa finis est! Wenn Sie damals nicht in die Ermittlung eingegriffen hätten, hätte man zwar einen Unschuldigen für den Mord verbrannt, doch wir hätten einen guten Mann wie den Kardinal Carasoli zum Papst bekommen. Und nicht diesen...« Spigola bekreuzigte sich und schaute zum Himmel. »Wer bin ich, dass ich an deiner Weisheit, oh Herr, Zweifel hege.« Dann wandte er sich wieder an seinen Gast. »Bereuen Sie eigentlich Ihre Unbedachtsamkeit, die damals seine Eminenz Kardinal Carasoli die Tiara gekostet hat?«
    Der Auditor legte den Finger in die Wunde. Diese Frage hatte sich Prospero Lambertini seit Albanis Wahl immer wieder gestellt, und er war stets zur gleichen Antwort gelangt, die er nun auch Spigola nicht vorenthielt. »Auch wenn es Sie wundert. Nein. Die Wahrheit ist die Wahrheit, und sie darf nicht gebeugt werden. Gäben wir der Lüge den Vorzug, so würde die Welt zur Arena des Bösen.«
    »Ist sie das nicht bereits? Darf da draußen nicht eine Bestie
ihr Unwesen treiben, weil Sie im Stolz auf Ihre unbestechliche Seele dem Luxus der Wahrheit frönten?«
    Prospero erblasste. »Das ist purer Zynismus.«
    »Wir sprechen uns in ein paar Jahren wieder. Der Dienst in der Kurie hat noch jeden verändert.«
    Prospero spürte, wie sich eine große Ratlosigkeit in ihm ausbreitete. Wo geriet er da nur gerade hinein? Vielleicht wäre es in der Tat besser, als Pfarrer von San Rocco nach... - ihm fiel der Name dieses Kaffs schon nicht einmal mehr ein - zu gehen. Es hatte zumindest den unbestreitbaren Vorteil, dass es weit ab lag von der Verderbtheit Roms und von der Anmut Deborahs. Fern in Apulien ließe sie sich sicher leichter vergessen.
    Aber es ging nicht um ihn. Wenn er hier stand und das alles erfuhr, dann wollte Gott der Herr, dass er damit konfrontiert wurde. Alles, was ihm Spigola verraten hatte, war so ungeheuerlich, dass es seine Vorstellungskraft übertraf. Alles in ihm schrie danach, tätig zu werden. Er dachte wieder an Cäcilia und hoffte inständig, dass sie nicht dem Satan, von dem Spigola sprach, in die Fänge geraten war. Er spürte, dass der alte Fuchs ihm noch nicht alles mitgeteilt hatte, und beschloss, noch etwas weiter zu bohren. »Mag sein, mag nicht sein, dass die Kurie den Menschen verändert. Danke für die Warnung, Monsignore Auditor, ich werde sie mir immer vor Augen halten. Das schwöre ich Ihnen. Aber was können wir für das arme Mädchen tun?«
    »Nichts.«
    Nein, so billig wollte sich Prospero nicht abspeisen lassen, deshalb mahnte er eindringlich: »Sie stehen in Capraras Schuld! Tun sie, worum er Sie gebeten hat!«
    »Ich habe, indem ich Ihnen davon erzählte, schon mehr getan, als ich eigentlich durfte.«

    »Dann tun Sie das Weitere für Ihr Gewissen. Für Ihr Seelenheil!«
    Der alte Mann wandte sich ab und kehrte zu seinem Sekretär zurück. Er setzte sich wieder in seinen Armstuhl und blätterte in der Bibel. Schließlich las er halblaut und ohne Betonung:
    »Es gibt einen Gerechten, der geht in seiner Rechtschaffenheit zugrunde,
    und es gibt einen Gottlosen, der in seiner Schlechtigkeit bleibt.
    Sei nicht zu gerecht,
    und sei nicht übermäßig weise, damit du nicht verwirrt wirst.«
    Prospero begann, sich um Spigola zu sorgen. Er schien tatsächlich schwermütig geworden zu sein.
    Der Auditor wiegte nun nachdenklich den Kopf. »Was soll man nur davon halten? So viele Verbrechen. So viel Blut. So viel Grausamkeit. Ich wusste immer, dass wir das Böse nicht besiegen können, aber wir haben wenigstens dagegen gekämpft und es durch unseren Kampf im Zaum gehalten. Nun

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