Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Und stehe auf von den Toten - Roman

Titel: Und stehe auf von den Toten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
Vom Netzwerk:
wollen kein Geld! Nicht dafür«, antwortete einer, und die anderen pflichteten ihm bei. Prospero hatte weiß Gott keine wohlhabenden Leute vor sich. Er nickte zum Zeichen, dass er sie verstanden hatte.

    »Gott schütze Sie, Dottore«, sagte eine Frau, und andere wiederholten es. »Gott schütze Sie, Dottore.«
    Während sie hinter dem Wagen hergingen, wandte Prospero sich an Benjamin. »Wie kann Gott das nur zulassen?«
    »Was hat Gott damit zu tun?«, gab der Arzt zurück.
    »Er hätte es verhindern können.«
    »Wir müssen dem Bösen wehren, nicht er. Er hat das Böse geschaffen, damit wir im Kampf dagegen jeden Tag besser werden. So furchtbar es auch ist, Prospero, ohne das Böse ist keine Erlösung zu haben.«
    Prospero wollte etwas erwidern, da hielt der Karren plötzlich an. Sie gingen nach vorn, um den Grund herauszufinden, und sahen sich einem Trupp Sbirren gegenüberstehen, bestehend aus vierzehn, fünfzehn Polizisten. »Alte Bekannte«, knurrte Prospero mit Blick auf den Hauptmann. Er entdeckte auch das glupschäugige Walross mit dem hängenden Schnauzer, das ihn ins Gefängnis gebracht hatte.
    »Ab hier übernehmen wir die Fuhre!«, dröhnte der Hauptmann.
    »Nur über meine Leiche!« Mit diesen Worten stellte sich Prospero vor den Zugochsen.
    »Wenn es weiter nichts ist!«, gab der Hauptmann gelassen zurück und trat drohend einen Schritt auf Prospero zu. Doch dieser wich nicht zurück. Benjamin hatte Recht: Es war Aufgabe des Menschen, das Böse in der Welt auszumerzen. Und wenn er, Prospero, es dafür mit einem Haufen bewaffneter Sbirren aufnehmen musste, dann würde er das auch tun.

35.
    C äcilia fühlte sich schwach und ausgelaugt, als sie erwachte. Sie fühlte einen Schmerz am Hals. Wie von einem blauen Fleck. Langsam kam die Erinnerung. Man hatte ihr die Augen verbunden und sie in ein Becken mit angenehm temperiertem Wasser getaucht. Zunächst hatte sie sich aus Angst, ertränkt zu werden, mit Händen und Füßen gewehrt. Sie bekam eine Ohrfeige, dass ihr Hören und Sehen verging, und man fesselte ihre Hände. Im Becken wuchs ihre Panik zunächst. Doch die Hysterie wich bald schon einer merkwürdigen Ruhe. Cäcilia versuchte, so viel wie möglich von dem, was mit ihr und um sie herum geschah, mitzubekommen.
    Sie wusste nicht, wie lange sie bereits in der Gewalt ihrer Entführer war. Man hielt sie in einem Zustand ewigen Dämmers. Die Zeit stand still. Niemals zuvor hatte sie auch nur geahnt, wie sehr der Wechsel von Helligkeit und Finsternis den Menschen zur Orientierung diente. Wenn sie wenigstens eine Ahnung hätte, was man mit ihr vorhatte. Und jetzt auch noch dieses aberwitzige Bad.
    Völlig unerwartet stach sie etwas in den Hals, und sie fühlte, wie warmes Blut herausdrang. Panisch schrie sie auf und trat um sich, was eine weitere Ohrfeige und Fußfesseln zur Folge hatte. War nun ihre letzte Stunde gekommen? Wollte man sie töten?
    Doch nichts weiter geschah. Cäcilia spürte, wie das Blut langsam, aber stetig aus ihrem Hals quoll. Wenn man sie umbringen wollte, warum hatte man ihr nicht einfach die Kehle durchgeschnitten? Wieso ließ man sie stattdessen langsam verbluten? Sie empfand die Vorstellung, dass man
ihr mit dem Blut das Leben entwenden wollte, als düster und befremdlich.
    Allmählich fielen ihr vor Schwäche die Augen zu. Gnädig wie das Leben oder der Tod sein konnten, sah sie in einer ungekannten Intensität Bilder von einer bunten, vertraut wirkenden Sommerwiese vor sich. Dann erkannte sie den Ort, und ihr Herz sprang vor Freude. Sie war in Sicherheit. Sie befand sich im Garten hinter dem Landhaus, das ihre Familie in der Nähe von Orvieto besaß. Wer hatte sie gerettet? Wie kam sie hierher? Unwichtig.
    Nichts war geschehen. Der Karneval und die Entführung schienen nur ein Alptraum gewesen sein, aus dem sie nun langsam erwachte. Wahrscheinlich war sie auf der Wiese in der prallen Sommersonne eingenickt, und die Hitze hatte ihr im Schlaf heftige Halluzinationen verursacht. Cäcilia stand auf und streifte durch das Gras, wobei sie ihre rechte Hand über die sonnengelben Margariten und das Rosa und Orange der Wicken gleiten ließ. Sie liebte diese Wiese, die der schönste Ort auf der ganzen Welt sein musste. Oft fuhren sie an den Wochenenden hinaus, und selten blieb bei diesen Ausflügen die Familie unter sich. Verwandte, Freunde, Bekannte fanden sich ein und fielen als ausgelassene Schar erholungswilliger Städter über das Landgut her. Stets schlossen sich ein paar Musiker

Weitere Kostenlose Bücher