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Und stehe auf von den Toten - Roman

Titel: Und stehe auf von den Toten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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es auch nicht viel war, so würde es den Männern vielleicht helfen.
    Er nahm alle Kraft zusammen und rief: »Hört mich an. Ich kann euch eure Töchter nicht zurückgeben. Sie sind gestorben, ohne dass den gottesfürchtigen Mädchen der letzte Segen erteilt werden konnte. Aber ich verspreche euch, wenn unsere Untersuchungen beendet sind, werde ich jeder Einzelnen die letzte Ölung erteilen. Sie erhalten das Sterbesakrament kraft der Macht, die mir von Gott und der Heiligen Mutter Kirche verliehen wurde. Und niemand, das schwöre ich euch, wird mich daran hindern! So wahr ich Priester bin! Auch dieser Mann dort wird das Sterbesakrament erhalten.« Prospero zeigte auf den Vater, der sich selbst umgebracht hatte. »Denn er ist vor Gott kein Selbstmörder, sondern ein Opfer wie diese getöteten Engel Gottes.«

    Die Männer blickten ihn ernst an. Keiner sagte etwas, aber er konnte sehen, dass sie ihm vertrauten. Tief im Innern seines Herzens wusste Prospero, dass er es nicht nur für sie tat, sondern auch für sich. Denn nur dadurch, dass er ihnen das letzte Sakrament spendete, konnte er seinem Priestertum einen Sinn verleihen, nur dadurch konnte er den Glauben an Gott zurückgewinnen. Nicht nur die toten Mädchen mussten Frieden finden, auch er.
    Noch einmal wandte er sich an die Männer: »Wir haben sie zusammen gefunden, wir sollten sie nicht mehr trennen. Morgen Mittag will ich ihre Körper in geweihter Erde bestatten, damit auch ihre armen geschundenen Seelen Ruhe finden.«
    »Amen«, sagte einer und die anderen stimmten ein.
    »Kennt einer einen Begräbnisplatz, wo das geschehen kann?«, fragte Prospero in die Runde.
    »Auf dem Campo Verano«, kam die Antwort von Marcello. »Ich kenn den Friedhofspräfekten gut.«
    »In Ordnung, so soll es sein. Geht hin, hebt die Gräber aus, und bereitet alles vor. Und du, Marcello, kannst du elf Särge zur Verfügung stellen und in die Sapienza bringen?«
    »Sechs Särge habe ich in meiner Werkstatt, die anderen leihe ich mir bei Zunftgenossen.«
    »Ich danke dir.« Dann wandte Prospero sich an den Philologen. »Hier hast du die Liste mit den Namen der Mädchen. Ruf sie nacheinander auf, und lass dir von den Männern die Leichen ihrer Töchter zeigen. In der Morgue musst du das Protokoll anfertigen. Meinst du, du stehst das durch?«
    »Wenn es dir hilft, Cäcilia zu finden, dann ja«, antwortete Velloni tapfer, obwohl er doch recht blass um die Nase war. Er rief alle der Reihe nach auf, begonnen bei Marcello,
dem Tischler, bis hin zu Domenico, dem Besenbinder. Dann traten die, die nicht in San Angelo, sondern in Regola oder Parione oder Ponte wohnten, zu ihm. Sie gaben ihren Namen an und zeigten auf ihre Töchter, oder auf das, was die Elemente und die Verwesung von ihnen übrig gelassen hatten. Gegen seine Erschütterung kämpfend, notierte der Philologe alles pedantisch genau. Er wusste, dass ihm kein Fehler unterlaufen durfte. Nachdem er fertig war, standen die Männer unschlüssig und verloren vor dem Hilfsauditor. Prospero schlug das Kreuz über sie: »Der Herr lass leuchten Sein Antlitz über euch . Geht hin und geht in Frieden.«
    Dann setzte sich der Ochsenkarren wieder in Bewegung. Prospero Lambertini, Velloni, Benjamin und Pepe folgten ihm wie Verurteilte, denn sie wussten, dass ihnen Schlimmes bevorstand.

37.
    D iese Mädchen sollten nicht auf meinem Tisch liegen!«, knurrte Professor Fermi Prospero an, als wäre der für den Anblick verantwortlich. Und in gewisser Weise war er es ja auch, nicht für die Morde natürlich, aber für die Obduktion. »Sie sollten ihrer Mutter zur Hand gehen, mit Freundinnen von ihren Traumprinzen schwärmen, Sing- und Tanzstunden haben. Oder was weiß ich, was Mädchen in dem Alter so alles treiben, nur eben eins nicht, auf meinem Tisch liegen. Was haben sie hier verloren?«
    Da Prospero die Empfindungen des Pathologen in dieser Sache voll und ganz teilte, erübrigte sich jeder Kommentar. Wenn das Grauen am Verstand rüttelte, dann halfen nur noch die festen Regeln vorgeschriebener Vorgehensweisen.
    »Signor Velloni wird Protokoll führen. Fangen Sie Ihr so trauriges wie wichtiges Werk an, meine Herren!«, befahl Prospero sanft.
    Die Morgue befand sich im Keller der Universität. Auf elf Eisentischen, die von Rinnen umsäumt waren, damit Blut und andere Körperflüssigkeiten ablaufen konnten, lagen die Mädchen nebeneinander wie Rettiche auf dem Gemüsemarkt. Der Hilfsauditor schämte sich für die Assoziation, aber er vermochte sich

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