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Und stehe auf von den Toten - Roman

Titel: Und stehe auf von den Toten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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stärker als er und vor allem bestens vertraut mit dem schändlichen Handwerk des Tötens. Es waren ganz sicher Bravi - Meuchelmörder. Wie zur Bestätigung zog der vor ihm blank. Prospero konnte davon ausgehen, dass der hinter ihm das Gleiche tat. Er saß in der Falle. Was nun?
    Es mangelte ihm nicht nur an Ausbildung und Erfahrung im Kampf, er war zudem auch noch unbewaffnet. Ganz deutlich sah er vor sich, wie der Auditor Alfredo Arcimboldo Spigola ums Leben gekommen war. Vermutlich waren die beiden Spießgesellen die Mörder des Untersuchungsrichters. Dieser Gedanke half ihm paradoxerweise, weil er ihn mit Zorn erfüllte. Er sah sich nach einer potenziellen Waffe um. Wenige Schritte vor sich entdeckte er auf der Straße einen handlichen losen Pflasterstein. Jetzt kam es darauf an, alles auf eine Karte zu setzen. Er sprintete los, bückte sich im Laufen, hob den Stein auf und nutzte
den Schwung zum Wurf. Der Stein flog so überraschend auf den Angreifer zu, dass dieser nicht mehr auszuweichen vermochte und am Kopf getroffen wurde. Er schrie vor Schmerz auf, riss die Hände hoch an die Stirn und taumelte rückwärts. Prospero rempelte ihn im Vorbeilaufen an, sodass er vollends ins Straucheln geriet und stürzte. Dabei hatte der Hilfsauditor kurz in die Augen des Meuchelmörders geblickt, sie waren gelb, jedenfalls schien es ihm so. Schnell bückte er sich, riss den langen Dolch seines Verfolgers an sich und versetzte ihm damit einen Schnitt in die Wange, um ihn zu zeichnen. Der Bravo schrie auf und presste eine Hand an die Wunde. Der zweite Verfolger hatte ihn fast eingeholt, blieb nun aber unschlüssig stehen. Der am Boden Liegende versuchte, sich zu erheben. Prospero stieß ihm den Dolch in die Schulter, zog ihn wieder raus und rannte los. Auf Höhe der nächsten Seitengasse stoppte er und wandte sich kurz um. Der zweite Spießgeselle half seinem verletzten Kumpan. Prospero setzte seine Flucht fort.
    Außer Atem traf er mit dem blutverschmierten Dolch in der Hand im La Grassa ein. Gioacchino riss bei seinem Anblick erschrocken die Augen auf und setzte ihm rasch einen Grappa vor. »Du siehst aus, als ob du dem Teufel von der Schippe gesprungen bist.«
    »Vorher aber habe ich das Werk des Teufels gesehen«, erwiderte Prospero und berichtete von den Mädchen, die auf dem Tiber schwammen.
    »Jetzt reicht es!« Gioacchino fuhr mit zornrotem Gesicht hoch. Dann verschwand er in die hinteren Räume und kehrte mit Rapieren und Messern zurück. Er bemühte sich, auch Prospero einen Degen anzudienen, doch der verwies darauf, dass er Priester war. Aber einen Dolch musste
er annehmen und unter dem Justacorps verstecken. Der Wirt wollte mitkommen, doch Prospero bestand darauf, dass er dablieb und die Familie schützte. Sie einigten sich darauf, dass Pepe ihn begleiten würde. Der Katalane nahm den Dolch, den Prospero dem einen Pavian abgenommen hatte, und begutachtete ihn.
    »Teufel«, fluchte Gioacchino. »Gott weiß, dass ich meine Familie liebe, aber dass ich deshalb zum Feigling werde!«
    »Du bist kein Feigling, Vater, du bist der mutigste Mann, den ich kenne!«, entgegnete Prospero.
    »Wirklich?«, fragte der Wirt streng.
    »Der allermutigste, wirklich, denn niemand ist tapferer als der, der seine Familie vor allem Unbill schützt!«
    »Ein Dutzendstück«, brummte Pepe enttäuscht und warf den Dolch auf den Tisch. »Immerhin werden wir den einen erkennen, den du damit gezeichnet hast«, fügte er hinzu.
     
    An der Posterule Tiberine hatten sich ein paar Fischersfrauen versammelt, unter ihnen auch Renata, während ihre Männer mit den Booten auf dem Fluss waren und die Leichen bargen. Gern hätte Prospero auch Alessandro Caprara hergerufen, doch er musste ihn aus der Untersuchung heraushalten. Er würde ihn morgen von den Ereignissen der Nacht in Kenntnis setzen. Ein Fuhrmann mit einem Ochsenkarren, den der umsichtige Giovanni bestellt hatte, holperte die Straße entlang auf sie zu. Sie würden ihn für den Abtransport der Leichen benötigen.
    Die Frauen stießen immer wieder klagende Laute aus, und manche weinten, während sie ihren Männern halfen, die toten Mädchen an Land zu bringen. Man sah ihnen die Trauer und den Zorn an. Es hätten auch ihre Töchter sein können. Sie legten sie behutsam, fast zärtlich auf den nassen
Pflastersteinen der Via Giulia ab, eine neben die andere.
    Die römischen Tiberfischer waren bei weitem keine zartbesaiteten Wesen, im Gegenteil, sie bildeten eine derbe Berufsgenossenschaft. Jeder

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