Und trotzdem ist es Liebe
meine Mutter und Dwight an der Haustür.
« Hal-loooo ?», trillert meine Mutter und kommt in einer dichten Parfümwolke in die Küche gesegelt. Sie trägt ein fließendes St.-John-Ensemble und marineblaue Pumps, ein Outfit, das die Bezeichnung «lässig-schick» verdient: ihr Lieblings-Dresscode für ihre eigenen Partys. Trotz ihrer Hundeallergie nimmt sie Daphnes Yorkies auf den Arm und lässt sich von ihnen das Gesicht ablecken. «Ja, wer ist denn daaaa? Hal- looo , Gary! Hal- looo , Anna!», gurrt sie, und ich denke, dass Babysprache bei Hunden nur unwesentlich nerviger ist als Babysprache bei Babys.
Dwight ist ebenfalls lässig-schick. Er trägt Loafers mit Troddeln, eine Ray-Ban und ein Jackett mit glänzenden Goldknöpfen. Er nimmt die Sonnenbrille ab und überreicht Daphne drei Flaschen Merlot. Dann reibt er sich so energisch die Hände, dass sie fast zu qualmen anfangen. «Na, Ladys? Was läuft denn hier?» Er späht in die Töpfe. «Gut riecht’s hier, Daph!»
Ich sehe zu, wie er in der Küche umherstolziert, und muss daran denken, wie Ben manchmal seinen Gang imitiert hat. «Ist dir schon mal aufgefallen, dass Dwights Becken immer schon fünf Minuten vor ihm durch die Tür kommt?», sagte er dann. Es hat mir immer gefallen, wenn er sich über Dwight lustig gemacht hat, aber die Vorstellung, er könnte solche Beobachtungen über meine Verwandtschaft (selbst über den Mann meiner Mutter) seiner künftigen Ehefrau anvertrauen, lässt seltsamerweise eine Loyalität aufkommen, die es bisher nie gegeben hat. Dwight ist kein übler Kerl, denke ich, als ich ihm – vielleicht zum ersten Mal im Leben – einen Begrüßungskuss gebe. Ich warte, bis meine Mutter die Hunde wieder abgesetzt, sich die Hände gewaschen und ihren Inhalator benutzt hat. Dann umarme ich sie.
«Schön, dass du dich so schick gemacht hast», flüstert sie mir ins Ohr.
Ich lächle. «Ja. Aber es wird dich freuen zu hören: Für den Fall, dass ich einen Unfall habe und die Sanitäter mich ausziehen, habe ich meine beste Unterwäsche an.»
Sie lächelt, als wollte sie sagen: Ich habe dich gut erzogen.
Es klingelt, und wir alle wechseln nervöse Blicke. Die Frage hängt in der Luft: Wird Scott mit seiner Familie kommen?
Sogar meine Mutter wird still.
«Mach du auf», sagt Daphne zu mir und bindet sich nervös die Schürze neu.
Ich gehe zur Tür und öffne, und ich bin ehrlich überrascht, als ich Scott sehe. Ich habe wirklich angenommen, Maura würde ihn in die Verbannung schicken. Hillary Clintons Bemerkung über Bill geht mir durch den Kopf: «Es ist schwer, den Hund auf der Veranda zu halten.» Das Gleiche kann man über Scott sagen. Aber hier ist er, auf der Veranda neben Maura.
«Hey, Leute», sage ich und bücke mich, um als Erstes die Kinder zu umarmen. Zoe deutet auf ihre Stiche – genauer gesagt, auf die Stelle, wo sie waren. «Sie sind verschwunden!», sagt sie. «Genau wie Dr. Steve gesagt hat!»
Lachend umarme ich sie noch einmal.
Als ich mich wieder aufrichte, schaue ich Scott in die Augen. Zum ersten Mal ist sein Blick nicht selbstgefällig oder verschlagen. Stattdessen sieht er eher noch niedergeschlagener und zerknirschter aus als am Samstagabend. Und Maura wirkt noch peppiger. Das sorgenfreie, selbstbewusste, beliebte Mädel hat ein Date mit einem ewig dankbaren Möchtegern aus der zweiten Reihe , denke ich. Die Rollen sind vertauscht, und voller Nostalgie denke ich daran, dass meine Schwester früher immer so war – bevor sie Scott kennenlernte. Ich frage mich, was da zuerst passiert ist. Hat Scotts Verhalten Maura in ein Opfer verwandelt und sie in einen Zustand ständiger Angst versetzt? Oder sind ihre Prioritäten durcheinandergeraten, und hat sie deshalb zugelassen, dass jemand wie Scott in ihr Leben treten konnte?
Ich begrüße ihn frostig und küsse meine Schwester. In der Küche werden weitere kühle Hallos gewechselt. Dann ziehen wir alle ins Wohnzimmer und sehen uns eine Football-Übertragung an, die eigentlich nur Tony interessiert. Ich lenke meine Gedanken von Ben ab, indem ich Scott und Maura beobachte. Er verwöhnt sie unaufhörlich – schenkt ihr Wein nach, massiert ihr die Schultern, kümmert sich um die Kids, wenn sie ungebärdig werden –, und unversehens muss ich an eine von Annies Beziehungstheorien denken, an die Theorie des «gütigen Diktators». Sie sagt, in einer idealen Beziehung ist die Macht gleichmäßig verteilt. Aber wenn schon jemand mehr Macht hat, dann muss das die Frau
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