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Und trotzdem ist es Liebe

Und trotzdem ist es Liebe

Titel: Und trotzdem ist es Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emily Giffin
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eines neuen Familienmitglieds. Außerdem hat es mir gefallen, diese stille, intime Zeit mit meiner Schwester zu verbringen, die sonst so frenetisch besessen von ihren zahlreichen gesellschaftlichen Verpflichtungen in Bronxville ist. Maura und ich haben ein paar unserer besten Gespräche in dieser wohligen Zeit nach der Ankunft eines neuen Babys geführt, in Bademantel und Pantoffeln und mit ungeputzten Zähnen. Aber die nächtlichen Fütterpflichten, zu denen ich mich freiwillig gemeldet habe, waren immer brutal, und wenn ich ihr Haus wieder verließ, tat ich es mit einer Müdigkeit in den Knochen, die an Schmerz grenzte. Ich weiß wirklich nicht, wie so viele Frauen das wochen- und monatelang am Stück durchhalten.
    «Hat Annie denn schon geworfen?», fragt Jess.
    Ich muss über ihre Formulierung lächeln. Als Frau, die so verzweifelt gern Mutter werden möchte, muss sie ihr Vokabular ein bisschen mildern.
    «Kann jetzt jeden Tag passieren», sage ich. «Hoffen wir also, dass es nichts ist, was ein paar Stunden mit einem echten, lebendigen Säugling nicht kurieren können.»

    Wie auf ein Stichwort kommt Raymond Gage jr. am nächsten Nachmittag auf die Welt – nach vierzehn Stunden Wehen und einem Kaiserschnitt in letzter Minute. Ben ruft mich im Verlag an, um mir die Neuigkeit mitzuteilen.
    «Annie und Ray wollen, dass wir sofort kommen», sagt er aufgeregt.
    Die Einladung in die Klinik überrascht mich. Wir sind eng befreundet mit Annie und Ray, aber so eng nun auch wieder nicht, denke ich. Eher Freunde, zu denen man sagt: «Sobald wir mit dem Baby zu Hause sind, müsst ihr kommen und es euch ansehen!» Aber ungeachtet der aktuellen Kontroverse freue ich mich darauf, das Baby kennenzulernen.
    Also fahre ich nach der Arbeit mit der U-Bahn zum Roosevelt Hospital, und ich treffe Ben im Geschenkeladen des Krankenhauses. Er hat zwei Mylar-Luftballons und eine Karte gekauft, die wir im Aufzug unterschreiben. Dann gehen wir zu Zimmer 1231. An der Tür hängt ein großer pastellblauer Storch mit einem Spruchband im Schnabel; darauf steht: «ES IST EIN JUNGE!» Ungefähr die Hälfte der Türen im Korridor ist auf die gleiche Weise geschmückt.
    Nach der schweren Entbindung rechne ich mit gedämpfter Stimmung, aber im Zimmer ist eine ausgelassene Party in vollem Gange. Überall sind Blumen und Geschenke, und mindestens ein Dutzend Freunde und Verwandte machen Fotos von dem Baby und drängen sich danach, es im Arm zu halten. Sogar ein paar Flaschen Champagner sind da; Ray baut sich immer mit dem Rücken davor auf, wenn eine Schwester hereinschaut.
    Strahlend berichten Ray und Annie in allen Einzelheiten vom Platzen der Fruchtblase, von der Taxifahrt in die Klinik und dem Streit kurz vor der Epiduralanästhesie, als Ray gestand, dass er die Videokamera zu Hause vergessen hatte. Wir lachen und hören zu und bewundern Raymond jr., der genauso aussieht wie sein Vater (und ich gehöre normalerweise nicht zu denen, die solche Ähnlichkeiten erkennen).
    Es ist ein schöner Tag für alle, aber mir ist sehr bewusst, wie diese Feier auf Ben wirkt. Er ist gerührt und ergriffen, aber ich sehe ihm an, dass ihm gleichzeitig unbehaglich und wehmütig zumute ist. Er ist nicht wirklich traurig, aber so traurig, wie man sein kann, ohne wirklich traurig zu sein. Sein Gesicht erinnert mich an eine unverheiratete Brautjungfer bei einer Hochzeit, die sich den zwanzigsten Trinkspruch des Abends anhören muss.
    Gerade wollen wir beide nacheinander Raymond jr. auf den Arm nehmen, da kommt die Stillberaterin herein, und Ray bittet alle höflich, hinauszugehen. Ich bin überrascht, dass Annie, die sicher BHs verbrannt hätte, wenn sie ein paar Jahre früher zur Welt gekommen wäre, sich plötzlich um ihre Privatsphäre schert – aber andererseits, sagt man nicht, dass ein Kind alles verändert? Wir gratulieren Annie und Ray noch ein letztes Mal und versprechen, uns bald wieder zu melden.
    Auf der U-Bahn-Fahrt nach Hause hoffe ich, Ben versteht, dass die Party nicht ewig dauert. Dass der Champagner aufhört zu fließen, wenn man mit dem Baby zu Hause ist und ein paar Wochen vergangen sind, und dass man dann mitten in der Nacht allein ist.
    Für den Fall, dass ihm das entgangen ist, lasse ich ein paar Wochen verstreichen, dann rufe ich Ben an und schlage ihm unschuldig vor, wir sollten Annie und Ray anbieten, als Babysitter zu ihnen zu kommen. Damit sie mal Gelegenheit haben, allein auszugehen. Ben findet die Idee großartig. In einer

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