Und trotzdem ist es Liebe
verlieben.
Von: Claudia Parr
Datum: 27. Juli, 11 : 22
An: Richard Margo
Betreff: Wirkt’s?
Männlicher Weißer, 38, Stress-Läsionen entlang der oberen Vena cava, am vorderen linken Lungenlappen und an den Bronchien … Code Blau! Bradykardie! Wir brauchen eine Perikardiozentese! Sind Sie schon verliebt?
Von: Richard Margo
Datum: 27. Juli, 11 : 23
An: Claudia Parr
Betreff: Es wirkt!
Total. Gehen Sie Samstagabend mit mir essen?
Am Samstag kommt Daphne in die Stadt, um mit Jess und mir shoppen zu gehen. Unsere Mission: ein Dating-Outfit, mit dem ich Richard beeindrucke. Jess garantiert mir, dass ein neues Outfit mir das Selbstbewusstsein geben wird, das ich brauche, damit der Abend ein Erfolg wird. Hoffentlich hat sie recht, denn seit ich zugesagt habe, bin ich eher nervös als aufgeregt. Der Gedanke an Dates im Allgemeinen macht mich nervös und die Vorstellung, mit jemandem aus dem Verlag auszugehen, erst recht. Die Tatsache, dass Richard und ich seit dem Lunch im Bolo nicht wieder persönlich miteinander gesprochen haben, verstärkt meine Beklommenheit. Wir haben nicht mal telefoniert. Ich merke, dass man in E-Mails viel ungenierter sein kann, als man sich tatsächlich fühlt. Halb befürchte ich, es könnte die Cyberspace-Variante dessen sein, was man empfindet, wenn man zu schnell mit einem Mann ins Bett geht und ihn dann am nächsten Morgen sehen muss, wenn man nüchtern und ohne Make-up ist. Richard und ich haben am Computer heftig geflirtet, aber ihm am Tisch gegenüberzusitzen ist eine ganz andere Sache, und beim Gedanken an den ersten Augenblick im Restaurant wird mir ganz mulmig.
Jess, Daphne und ich gehen also schon in aller Herrgottsfrühe auf Einkaufstour. Als Erstes fallen wir bei Intermix an der Lower Fifth ein, weil es nur ein paar Straßen weit von Jess’ Apartment entfernt ist. Die Dance-Music, die durch den Laden dröhnt, ist ein ziemlich guter Hinweis darauf, dass die Klamotten hier zu trendy für mich sind. Ich gehe nicht mehr in Clubs, und ich habe keine Lust, schreien zu müssen, damit man mich an der Bar versteht – und das gilt erst recht beim Shoppen.
Brüllend teile ich Jess meine Ansicht mit, aber sie hebt die Hand und signalisiert, dass sie noch nicht gleich wieder gehen will. Ich sehe zu, wie sie fachmännisch einen Kleiderständer durchwühlt. Sie findet eine funkige weiße Hose, ein seidenes Haltertop mit Paisleymuster und einen fuchsienroten Bolero – lauter Sachen, die ich mir niemals selbst aussuchen würde, weder als Ensemble noch einzeln, aber Jess hat ein erstaunliches Gespür für Stil. Außerdem hat sie es raus, Einzelteile, von denen man nie gedacht hätte, dass sie zusammenpassen, so zu kombinieren, dass ein total origineller Look entsteht. Dass sie massig Geld hat, ist dabei natürlich nicht von Nachteil. Sie kann sich vieles leisten – aber eben auch die unausweichlichen Fehler, die alle Frauen machen, wenn sie shoppen. Wer kennt das Phänomen nicht? In der Umkleidekabine ist man hin und weg von einem Teil, und zu Hause findet man es grauenhaft. Wenn ich etwas kaufe, das ich am Ende nicht trage, mache ich mir monatelang Vorwürfe, aber Jess hat jederzeit mindestens ein Dutzend ausgemusterte Designerfummel im Schrank, die sie nur einmal oder überhaupt nicht getragen hat. Die große Tragik unserer Freundschaft – zumindest aus meiner Perspektive – besteht darin, dass wir nicht die gleiche Konfektionsgröße haben. Und so ziemlich alles würde ich dafür tun, wenn meine Füße um zwei Zentimeter länger werden könnten, damit sie in ihre Regenbogen-Kollektion von Jimmy Choos passen.
Aber obwohl ich Jess in Modefragen vertraue, macht ihre Auswahl mich jetzt skeptisch. «Das bin ich überhaupt nicht», sage ich und zeige auf das Haltertop, das sie mir gerade anhält. Ich werfe einen Blick auf die weiße Hose in ihrer anderen Hand. «Und ich habe keine Zeit mehr, die umnähen zu lassen.» Hosen von der Stange passen nie, wenn man nur eins sechzig groß ist.
«Daphne kann das provisorisch erledigen. Oder, Daph?»
Daphne nickt eifrig. In Hausfrauendingen ist sie eine Zauberin. Sie kann das Eiweiß bei pochierten Eiern übereinanderschlagen, sie kriegt Rotweinflecken weg, und sie kann Blumen arrangieren. Ich weiß nicht, wo sie das alles gelernt hat. Von unserer Mutter ganz sicher nicht – die kann bei einer Hose nicht mal den Saum am Kleiderbügel ausrichten. Nicht dass ich große Sprüche klopfen dürfte. Das Aufhängen
Weitere Kostenlose Bücher