Und trotzdem ist es Liebe
bei Richard hat es etwas Liebenswertes. Ich nehme an, wenn man gutaussehend und erfolgreich genug ist, kann man sich alles erlauben.
Ich verkneife mir ein «groovy». Stattdessen hebe ich die Hand und drücke den Daumen.
Tad kommt mit meinem Chardonnay und zwei Speisekarten. Er fragt, ob wir uns für die Specials interessieren.
«Ja», sagen wir wie aus einem Munde und hören dann zu, wie Tad die längste und detaillierteste Beschreibung einer Krabbencremesuppe herunterrattert, die die Welt je gehört hat. Ben hat Lebensmitteladjektive immer gehasst, besonders Wörter wie «knackig» und «sämig». Sogar Kekswerbung war ein Problem für ihn. Nicht mehr an Ben denken!, befehle ich mir. Ich sehe mir die Speisekarte an und suche etwas, das man essen kann, ohne viel zu kleckern. Ich entscheide mich für den Salat mit kurzgebratenem Thunfisch, Richard nimmt einen Burger. Die Kombination Burger und Wein gefällt mir gut.
«In letzter Zeit was Gutes gelesen?», fragt Richard.
«Meinen Sie das allgemein – oder sprechen Sie von Manuskripten?», frage ich.
«Beides.»
Ich zähle ein paar Titel der ersten Kategorie auf – und zwei Projekte der zweiten.
«Was können Sie mir sonst noch erzählen?», fragt Richard, nachdem Tad unsere Bestellung aufgenommen hat. Er sieht mich erwartungsvoll an, als wäre ich diejenige, die dieses kleine «Geschäftsessen» angesetzt hat.
Ich nippe an meinem Wein und frage: «In Bezug auf die Arbeit?» Diverse Klatschgeschichten aus der Branche schwirren mir durch den Kopf. Gerade will ich ihn fragen, ob er die Gerüchte über Jennifer Coats gehört hat: dass sie mit dem Lektorat bei Putnam unzufrieden ist und ihr neues Manuskript auch anderswo kursieren lässt. Da zuckt Richard die Achseln, lehnt sich zurück und sagt: «Was auch immer.» Dieses «Was auch immer» signalisiert mir, dass dies eindeutig kein Geschäftsessen ist.
Ich überlege mir die Antwort sorgfältig, denn ich habe das Gefühl, an einer Weggabelung zu stehen – wie in diesen «Wie soll’s weitergehen?»-Büchern, die ich in der Grundschule so sehr geliebt habe. Ich könnte jetzt ganz einfach von den Gerüchten über Jennifer Coats anfangen oder auf Amy Dickersons Auftritt in der Today Show zurückkommen.
Stattdessen hebe ich die linke Hand, wackle mit dem Ringfinger und platze heraus: «Ich habe mich scheiden lassen.»
Richard macht ein überraschtes Gesicht. Hoffentlich stellt er sich jetzt nicht dumm und tut so, als wüsste er noch nichts davon. Aber vielleicht ist er auch nur überrascht, weil ich ihm so bereitwillig davon erzähle. Es überrascht mich ja selbst ein bisschen.
Er zupft sich am Ohrläppchen. «Ich habe davon gehört. Es tut mir leid.»
Ich überlege, ob ich sagen soll: «Ist schon okay.» Aber ich habe es nie ausstehen können, wenn Leute nach einem Todesfall oder einem anderen traurigen Ereignis in ihrem Leben so reagieren. Denn eigentlich ist es nicht okay. Also sage ich: «Danke. So was kommt halt vor.»
Richard nickt und lässt den Wein in seinem Glas kreisen. Er trinkt einen Schluck und sagt: «Immer wieder, wie ich höre.»
«Yep», sage ich. «Ein Risiko, das Sie nie eingegangen sind, stimmt’s?»
Die erste wirklich persönliche Frage, die offiziell gestellt wird.
Richard lacht. «Stimmt.»
«Schon mal dicht davor gewesen?», frage ich.
Nummer zwei .
«Natürlich.»
«Wie dicht?»
Nummer drei .
«Nicht sehr dicht, ehrlich gesagt.»
Richard winkt quer durch das Lokal jemandem kurz zu. Fast drehe ich mich um und will wissen, wer es ist, aber ich möchte nicht aussehen, als hätte man mich auf frischer Tat ertappt, auch wenn ich mich so fühle.
Anscheinend weiß Richard, was ich denke. «Jason Saul», sagt er.
Ich sehe ihn fragend an, und er sagt: «Der Kleine aus dem Marketing. Mit dem Soul-Patch.»
«Ach so», sage ich. «Aber das ist ein Goatie. Kein Soul-Patch.»
«Was ist der Unterschied?»
Ich deute auf mein Kinn. «Ein Goatie ist ein Ziegenbart. Ein Soul-Patch sitzt unter der Unterlippe.» Richard nickt einsichtsvoll. Ich muss an meine Lieblingsstory über Gesichtsbehaarung denken. Vor Jahren hat Michael mit einem Kollegen einen Wettbewerb im Schnurrbartwachsen veranstaltet, den er dramatisch verlor. Um das zu illustrieren, deutete er eines Tages beim Lunch mit dem Kopf auf ein Mädchen namens Sally (in das er eigentlich ein bisschen verknallt war) und sagte: «Sogar Sally würde mich alt aussehen lassen.» Das war witzig gemeint, aber leider war Sally eine dieser
Weitere Kostenlose Bücher