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Und verfuehre uns nicht zum Boesen - Commissaris van Leeuwens zweiter Fall

Und verfuehre uns nicht zum Boesen - Commissaris van Leeuwens zweiter Fall

Titel: Und verfuehre uns nicht zum Boesen - Commissaris van Leeuwens zweiter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claus Cornelius Fischer
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mit den Horrorvideos hinüber, als wäre ihr plötzlich klar geworden, dass ihr Leben nicht mehr in der Realität stattfand, sondern in ihrem eigenen Kettensägenstreifen. »Und ein Sikh war er auch nicht.«
    »Er trug aber den Kara , den Armreif der Sikhs.«
    »Trug er nicht«, widersprach Carien heftig. »Er hat nie einen Armreif getragen. Er war nicht religiös. Ich muss es doch wissen.«
    Warum trägt jemand den Armreif der Sikhs, wenn er kein Sikh ist? , überlegte Van Leeuwen. »Haben Sie eine Vorstellung, warum jemand Amir Singh ermordet haben könnte? Oder wer als Täter in Frage kommt?«
    Diesmal nickte Carien, wieder mit geschlossenen Augen. »Es war der Mann«, sagte sie leise, »bestimmt war es der Mann.«
    »Welcher Mann?«
    »Er tauchte eines Tages hier auf, im Laden. Ich kannte ihn nicht. Er fragte nach Amir, und als Amir ihn sah, war er ... Er war nicht mehr wiederzuerkennen. Ich hatte ihn noch nie so gesehen, so voller Angst. Der Mann drängte ihn in die Kabine dahinten, die mit den Pornos, und zu mir hat er gesagt, ich soll rausgehen, auf die Straße, er hätte mit Amir zu reden.« Sie öffnete die Augen und sah zum Eingang hinüber, als könnte die Tür jeden Moment aufgehen und dem Mann Einlass gewähren, der sie aus ihrem eigenen Laden auf die Straße geschickt hatte. »Und danach, als er endlich weg war, brauchte ich Amir bloß anzusehen, und ich wusste, dass es wieder so war wie früher, als er nichts hatte außer den Spritzen. Er hat sich verkrochen, ganz tief in sich selbst verkrochen, wo ihn niemand mehr erreichen konnte.«
    »Hat er Ihnen gesagt, wer der Mann war?«
    »Nein. Ich hab ihn gefragt, aber er hat es mir nicht gesagt. Er hat mir überhaupt nichts mehr gesagt. Trotzdem – ich wusste, es war jemand aus seiner Vergangenheit, aus der Zeit, als es ihm schlecht ging. Als er im Gefängnis war, oder noch davor. Ich konnte sehen, dass sie Streit gehabt hatten, weil der Mann wollte, dass Amir etwasfür ihn tut, etwas erledigt oder so, und Amir hat sich erst geweigert, aber der Mann muss ihm mit irgendwas gedroht haben, und schließlich hat er Ja gesagt.«
    »Aber was er für den Mann tun sollte, wissen Sie nicht?«
    »Nein, nur dass es etwas mit anderen Indern hier in der Gegend zu tun hatte, eine Arbeit, ein Job, etwas, das gefährlich war, sonst hätte Amir es mir erzählt, und sonst hätte er auch keine Angst ge-habt.« Sie zog die Nase hoch; unmerklich hatte sie zu weinen begonnen. »Ich glaube, er hat es getan, weil er sich Sorgen gemacht hat um mich. Der Laden hier läuft nicht besonders gut, und ich ... Ich ... Wir bekommen ... Ich bin ... Er war so stolz. Amir war so ein stolzer Mann.«
    Van Leeuwen holte ein Taschentuch hervor, faltete es auseinander und gab es ihr. »Sollen wir nicht in Ihr Büro gehen? Vielleicht möchten Sie sich hinsetzen.«
    »Er ist tot, ja? Amir ist tot, das haben Sie doch gesagt. Warum soll ich mich hinsetzen, wenn er tot ist?! Er hat sich nie hingesetzt, als er noch mit seinen Rosen durch die Straßen gegangen ist. Er ging von Kneipe zu Kneipe und verkaufte Rosen an die Betrunkenen. Da habe ich ihn zum ersten Mal gesehen, in einer Kneipe, und auf der Fähre habe ich ihn dann wiedergetroffen. Er hatte noch immer seinen ganzen Korb voll, und er tat mir leid. Er war müde und erschöpft, aber wie er da auf der Fähre an der Reling lehnte – ich dachte, ich hätte noch nie so einen schönen Mann gesehen, so schlank und zart, mit seinen schwarzen Haaren und den dunklen Augen und der Haut wie Zimt ...
    Es war sehr spät nachts, kurz nach eins, und plötzlich nahm er seinen Korb und kippte die verblühten Blumen ins Wasser. Sie trieben noch einen Moment im Kreis, wie in einem Strudel, bevor sie weggespült wurden, ich sah ihnen zu, wie sie in der Dunkelheit verschwanden, und als ich aufblickte, konnte ich sehen, dass er weinte.
    Als wir anlegten, ging er als Erster an Land, und ich bin ihm nachgegangen, weil er mir leidtat. Aber als ich ihn ansprach, wollte er nichts mit mir zu tun haben. Er war so stolz, und ich hatteihn weinen sehen. Ich wusste, dass er sich gedemütigt fühlte und bestimmt schreckliches Heimweh hatte, und so war es auch, er wünschte sich, zu Hause zu sein in Bombay. Eins müssen Sie wis-sen über Amir: Er hatte einen Traum, deswegen war er hergekommen, und wenn dieser Traum – wenn der in Erfüllung gegangen wäre ...
    Er wollte nämlich ein Restaurant aufmachen, damit kannte er sich aus. Da ist noch was: Er hat schnell gelernt. Er kam

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