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Und verfuehre uns nicht zum Boesen - Commissaris van Leeuwens zweiter Fall

Und verfuehre uns nicht zum Boesen - Commissaris van Leeuwens zweiter Fall

Titel: Und verfuehre uns nicht zum Boesen - Commissaris van Leeuwens zweiter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claus Cornelius Fischer
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hierher und sprach nichts als Hindi und ein paar Brocken Englisch, aber wie schnell er unsere Sprache konnte, und wie schnell er begriff, worauf es hier ankommt! Er hat beides schnell gelernt, das Gute und das Schlechte, nur seinen Stolz im Zaum zu halten, das gelang ihm irgendwie nicht. Auf der Überfahrt von Indien nach Rotterdam hat ihm jemand sein Geld geklaut – er hatte es bei sich, stellen Sie sich das mal vor, wie in einem schlechten Film. Deswegen musste er arbeiten gehen, sobald er hier war, weil jemand ihm alles geklaut hatte. Zuerst fand er einen Job als Kellner, aber er war eben so stolz, und wenn ein Gast ihm komisch kam ... oder der Chef ... Er flog bei ein paar Wirten raus, danach musste er Gelegenheitsjobs annehmen, Lastwagen beladen, Regale einräumen und schließlich Rosen verkaufen. Sein Traum wurde immer unerreichbarer, und bald hatte er gar nichts mehr. Er hatte nichts, und er hat auch an nichts mehr geglaubt, und da hat er angefangen mit den Drogen, weil es sehr schwer ist, so was zu ertragen, wenn man nichts mehr hat, nicht mal mehr Hoffnung, aber das versteht jemand wie Sie wahrscheinlich nicht.«
    Doch, dachte Van Leeuwen, das verstehe ich. »Hatten Sie damals schon diese Videothek hier?«
    »Nein ... nein ... Ich hab vorher was anderes gemacht, aber das wollte ich nicht mehr. Eine Freundin kam zu mir mit der Idee von einem Verleih für Videos und DVDs für Leute, die nicht von hier sind. Die ganzen Einwanderer, die Afrikaner, Chinesen und Indonesier, die wollen doch auch Filme sehen. Ich hatte etwas Geld gespart, aber als es so weit war, hat meine Freundin plötzlich geheiratet, und ihr Mann wollte nicht, dass seine Frau mit solchen Leuten zu tunhatte. Solche Leute . Ich habe dann Amir davon erzählt, und er hat gesagt, er macht mit, aber er hatte kein Geld. Er hat gedacht, er hilft mir, das war wichtig für seinen Stolz.«
    »Hat er noch Drogen genommen zu der Zeit?«
    »Nein, damit hatte er im Gefängnis aufgehört. Andere fangen im Knast damit an, aber er hat dort aufgehört. So war er.«
    »Aber vor Kurzem hat er wieder angefangen«, sagte der Commissaris. »Als dieser Mann hier im Laden aufgetaucht ist, wann war das?«
    »Vor ein paar Wochen, zwei Monaten, ich weiß nicht mehr ge-nau ...«
    »Hat er sich mit diesem Mann später noch mal getroffen, hier oder woanders?«
    »Wahrscheinlich.« Carien schrie plötzlich. »Wahrscheinlich hat er das, aber ich weiß nicht, wo oder wann oder ob überhaupt! Er hat ja nicht mehr mit mir geredet, und wenn er was gesagt hat, war es eine Lüge! Wir waren vorher immer ehrlich zueinander gewesen, kapieren Sie?! Das mussten wir sein, weil wir uns bis dahin belogen hatten, unser halbes Leben lang, er sich und ich mich. Aber dann haben wir aus unseren beiden alten Lügen etwas Neues gemacht, etwas Wahres, auf das wir stolz sein konnten – bis dieser Mann kam!« Atemlos hielt sie inne und rang würgend um Luft, als müsste sie sich jeden Moment übergeben. Dann berührte sie ihren Bauch, als hätte sie etwas gespürt darin, und der Commissaris wusste jetzt, was das Neue und Wahre in ihrem Leben war.
    »Mevrouw –«
    »Dieser Mann hat alles kaputt gemacht, weil er nur aus Lügen bestand.«
    Van Leeuwen fragte: »Können Sie ihn beschreiben? Wie sah er aus? War es ein Inder, ein Afrikaner, ein Indonesier, ein Niederländer?«
    »Er war Niederländer«, antwortete Carien. »Groß und dünn. Er trug Jeans und Lederjacke. Er hatte eine Baseballkappe auf. Er hatte, glaube ich, ein Bärtchen, und er trug eine Sonnenbrille, die er auch in der Videothek aufbehielt.«
    Carien griff in die Seitentasche ihrer schwarzen Lederjacke und holte ein Handy heraus. Stirnrunzelnd betrachtete sie das Display. Van Leeuwen konnte erkennen, dass sie eine SM S bekommen hatte, und noch während sie sie las, wurde sie so blass, dass die kleinen Fältchen rings um ihre Augen wie Tuschestriche wirkten. »Können wir gehen?«, fragte sie. »Können wir bitte gehen? Sie haben doch gesagt, ich muss ihn identifizieren.« Sie drehte einen kleinen Schlüssel an der Seite der Kasse um, zog ihn ab und schaltete die Leuchtröhren aus. Ihre Bewegungen wurden immer schneller und abgehackter, so als wäre sie aus dem Horrorvideo in einen Zeichentrickfilm geraten. »Ich will, dass Sie mich zu ihm bringen, jetzt sofort.«
    Van Leeuwen fragte sich, was das für eine S M S sein mochte, die ihr offenbar noch mehr zusetzte als die Nachricht von Amir Singhs Tod. Draußen vor der Videothek fiel das

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