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Und verfuehre uns nicht zum Boesen - Commissaris van Leeuwens zweiter Fall

Und verfuehre uns nicht zum Boesen - Commissaris van Leeuwens zweiter Fall

Titel: Und verfuehre uns nicht zum Boesen - Commissaris van Leeuwens zweiter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claus Cornelius Fischer
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Finger an die Halsschlagader.
    »Ist er tot?«, fragte Julika.
    »Ja«, sagte Gallo.
    Radschiv Sharma ging an ihnen vorbei, als wären sie gar nicht vorhanden. Zuerst sah keiner von ihnen genau, was er in seinen Armen an sich presste. Eben hatte er noch über seinem toten Sohn gekniet, aber jetzt war es nicht Pamit. Es war nur ein großer schwarzer Behälter aus Plastik. Mira rief: »Nicht, Radschiv!« Dann lief sie hinter ihm her und rief: »Shak, er hat das Benzin aus dem Wohnwagen geholt.«
    Shak konnte Sharma nicht aufhalten. Auch Mira konnte ihn nicht mehr aufhalten. Er war bereits in der Halle und schraubte den Deckel von dem Kanister und schüttete den Inhalt in großen, schwungvollen Spritzern auf die Regale mit den Gewürzen, auf Säcke, Fässer, Kisten und Körbe und zuletzt auf seinen Schreibtisch. Ein durchdringender Benzingeruch breitete sich aus. Bei jedem Spritzer stieß Sharma einen scharfen Schrei aus, hell und metallisch, als wäre er eine große, wahnsinnig gewordene Möwe. Dann warf er den Kanister hinterher, holte ein Feuerzeug aus der Hosentasche und entzündete eine Flamme, die ihm wie von selbst aus der Hand zu springen schien.
    Geblendet von den in der halb dunklen Halle hochschlagenden Flammen, wich er einige Schritte zurück. Rasch folgten die Flammen den verschütteten Benzinbächen, züngelten weiß und blau über den Steinboden, kletterten an den Regalen hoch und leckten an Gläsern, Kisten und Dosen. Knisternd und fauchend sprangen sie von Fach zu Fach, schmolzen Gummi, verbrannten Zellophan, entzündeten Öl, hüllten Körner, Halme und Pulver in rotes Feuer. Die ganze Halle schien auf einmal Hitze zu atmen und zu pulsieren wie ein dunkler Körper, der sich von innen selbst verzehrte. Unter dem Dach sammelte sich dichter Rauch. Ein Glas, explodierte, dann eine Dose, dann das nächste Glas, und schließlich begann alles, was flüssig war, zu kochen und zu explodieren wie Knallkörper an einer Schnur.
    Sharma wich nicht weiter zurück. Die Luft schien zu beben, schien sich mit einem zischenden Druck aufzupumpen, während um ihn herum Holz und Metall ächzten und krachten. Ein unerträglicher Gluthauch wehte durch die Halle, schlug ihm ins Gesicht. Die Flammen loderten an den Wänden hoch, und alles, was bunt gewesen war, wurde schwarz. Asche wirbelte zur Balustrade hinauf.
    Der Commissaris stand wie gelähmt vor der Halle. Er roch das Feuer und blickte in die Flammen und spürte, wie Schockwellen durch seine Brust rasten. Es war nicht Sharma, dessen schwarze Silhouette er in der brennenden Luft sah.
    Es war ein kleiner Junge von zehn Jahren auf einem Fenstersims über einer Gracht. Der Junge stand auf dem Sims des Fensters vor dem Hintergrund eines brennenden Zimmers in einem brennenden Haus, und Van Leeuwen wusste, er bräuchte bloß nach ihm zu greifen und ihn festzuhalten. Aber der Junge fiel, bevor er ihn zu fassen bekam. Er hatte nur die Kapuze erwischt, die Kapuze seiner Jacke, und trotzdem hätte er ihn halten können, eine Ewigkeit hätte er ihn halten können, und die Ewigkeit dauerte genau zwei Minuten, bis die Kapuze abriss und der Junge in den Tod stürzte.
    Er träumte jetzt nachts nicht mehr von dem Jungen, nur sein Herzschlag verlangsamte sich immer noch, wenn er ein Feuer sah oder ein Haus, das gebrannt hatte. Es verlangsamte sich, bis er dasGefühl hatte, im Wachkoma zu liegen. Er konnte sehen, und er konnte hören, aber er war unfähig, sich zu bewegen.
    Er hörte Mira schreien. »Radschiv!« Und Shak schrie: »Papa!«, und irgendwo schrien auch Julika und Gallo. Er sah Julika, die an ihm vorbei in die Halle stürmte, und er dachte noch, nein, ich kann nicht, als er schon lief. Er stieß Julika beiseite und stürzte an ihr vorbei in die lodernde Glut. Die Hitze stach ihm in die Augen und versengte seine Wimpern, und er hatte das Gefühl, dass die Haut auf seiner Stirn Blasen warf. Dann war er bei Sharma und packte ihn und zog ihn weg von den rasenden Flammen auf den Hof hinaus.
    Sharma stieß Van Leeuwen weg und schlug die Hände vors Gesicht. »Warum haben Sie das getan?!«, protestierte er ächzend, »warum, warum, warum ?! Mein Sohn Pamit ist tot – ich habe ihn getötet! Meinen Sohn Shak, sie werden ihn mir auch nehmen! Sie werden ihn ins Gefängnis stecken! Die Mutter meiner Söhne ist tot! Ich habe nichts mehr, niemand. Ich habe keine Familie! Wenn ich nicht sterben darf, was soll ich denn dann machen? Was soll ich jetzt machen !?«
    »Fragen Sie mich nicht«,

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