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Und verfuehre uns nicht zum Boesen - Commissaris van Leeuwens zweiter Fall

Und verfuehre uns nicht zum Boesen - Commissaris van Leeuwens zweiter Fall

Titel: Und verfuehre uns nicht zum Boesen - Commissaris van Leeuwens zweiter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claus Cornelius Fischer
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Kehle durchgeschnitten. Auf einem Hausboot ganz hier in der Nähe.«
    Sharma schüttelte den Kopf. Er schaute zu den Regalen hinüber, als könnte er Amir dort zwischen den tanzenden Staubkörnchen bei der Arbeit sehen, so wie Van Leeuwen ihn im Shere Punjab gesehen hatte, nur ohne das Blut, ohne die Schnittwunden. Aber dort waren bloß die Arbeiter, die Kisten und Fässer hereintrugen, abstellten und mit leeren Händen wieder hinausgingen, aus dem Schatten in die Sonne. »Ermordet, wie schrecklich ...«
    »Wo waren Sie in der Nacht von Freitag auf Samstag, Mijnheer Sharma?«, fragte Gallo.
    »Ich?« Der alte Gewürzhändler schien den Sinn der Frage nicht zu verstehen.
    »Er war zu Hause, genau wie ich und Pamit«, erklärte Shak, der die Frage sofort begriff. »Wir waren alle zu Hause.«
    »Mirabal auch?«, hakte Gallo nach. »Verstehen Sie, wir müssen diese Frage jedem stellen, der den Toten gekannt hat.«
    »Ich bin ein glücklicher Mann«, sagte Sharma leise, »geliebt von meiner Familie, respektiert von allen, die mit mir zu tun haben. Es geht mir gut. Aber das Blut soll mir in den Adern zu Asche werden, wenn ich etwas getan habe, das einen anderen Menschen das Leben gekostet hat. Verstehen Sie das? Und zu Asche soll es werden, wenn jemand aus meiner Familie je die Hand gegen einen anderen erhoben hat. Wir sind anständige Leute, das waren wir in Delhi, und das sind wir hier. Wir erwidern die Gastfreundschaft, die man uns erwiesen hat, mit vollen Händen. Wir ziehen nicht nachts herum, wir arbeiten hart, wir haben einen festen Wohnsitz und zahlen jedes Jahr unsere Steuern. Ich verstehe Ihre Frage nicht, Mijnheer.«
    Der Blick seiner hellgrünen Augen wanderte von dem Commissariszu Gallo, verweilte kurz bei Brigadier Tambur und kehrte zurück zu Van Leeuwen; es war ein aufrichtiger, verletzter Blick.
    Der Hund bellte wieder, und diesmal schien er näher zu sein. Das Bellen ging in ein Jaulen über. Das Jaulen erinnerte Van Leeuwen an den Hund, den er in Carien Dijkstras Videothek gehört hatte.
    »Sie waren also alle zusammen, und zwar die ganze Nacht«, wiederholte Gallo.
    Sharma nickte. »Verstehen Sie etwas von Gewürzen?«
    »Nicht viel«, sagte der Commissaris.
    »Sie sind doch hier, um sich ein Bild von uns zu machen«, sagte Sharma. »Sie wollen ein Bild mitnehmen von uns, und dieses Bild werden sie betrachten und sich fragen, ob einer darauf ein Mörder ist. Ich möchte, dass Sie alles sehen, das vollständige Bild. Sehen Sie sich um. Schauen Sie sich alles an. Kommen Sie, ich zeige Ihnen das Leben von Radschiv Sharma und seinen Söhnen. Es ist in diesen Regalen.«
    Mit weit ausgreifenden Schritten ging er tiefer in die Halle hinein. »Gewürze aus der ganzen Welt, Gerüche, Düfte – scharf und mild, süß, sauer, bitter, jeder nur denkbare Geschmack. Chili aus Mexiko, Amerika und von den Antillen. Vanille aus Guatemala, Madagaskar und von der Insel Réunion. Paprika aus Brasilien, Ungarn und Spanien. Zimt aus Indonesien und von den Seychellen, aus Mexiko, aus Costa Rica. Muskat aus Neuguinea und Mauritius. Und hier aus meiner Heimat, zwei Regale nur mit Gewürzen aus Indien – Chili, Kümmel, Safran, Ingwer, Pfeffer und Kardamom. Sichuanpfeffer und Sternanis aus China, Gewürznelke aus Tansania, Piment aus Honduras. Nennen sie mir irgendein Gewürz – Sharma & Sons hat es vorrätig! Gepflückt, gemahlen, zerstoßen, als Samen oder als Wurzel, flüssig oder als Pulver. Anis, Estragon, Capsicum, Fenchel, Kapern, Majoran, Mohn oder Meerrettich. Rosmarin, Koriander, Salbei, was Sie sich nur vorstellen können. Aus allen Ländern von allen Kontinenten, wie entlegen sie auch sein mögen. Sie kommen mit dem Schiff, mit dem Flugzeug, mit dem Lastwagen, in Kisten, Säcken und Fässern. Sie kommen hierher nach Amsterdamzu Sharma & Sons , wie sie vor vielen Jahrhunderten nach Brügge, Antwerpen oder London gebracht wurden. Es gab eine Zeit, da waren Gewürze wertvoller als Gold. Pfeffer war so begehrt, dass die Körner einzeln abgewogen wurden. Kriege wurden geführt, um den Handel mit Gewürzen zu kontrollieren. Christoph Columbus segelte von Spanien aus um die halbe Welt auf der Suche nach Zimt aus Indien. Die Ostindien-Kompanie erwirtschaftete Reichtümer über Reichtümer mit Gewürzen.«
    »Man hat also auch schon jemanden umgebracht wegen Gewürzen«, hörte Van Leeuwen Hoofdinspecteur Gallo hinter sich sagen.
    »Oh ja, man hat auch getötet wegen Gewürzen.« Sharma ging etwas langsamer, wischte sich

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