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Und verfuehre uns nicht zum Boesen - Commissaris van Leeuwens zweiter Fall

Und verfuehre uns nicht zum Boesen - Commissaris van Leeuwens zweiter Fall

Titel: Und verfuehre uns nicht zum Boesen - Commissaris van Leeuwens zweiter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claus Cornelius Fischer
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mit einem Taschentuch über die Stirn und betastete dabei gedankenverloren die verschlungenen Turbanwindungen. »Aber das war früher. Heute dienen sie nur noch der Verfeinerung unserer Mahlzeiten. Trotzdem, was wäre das Essen – irgendein Essen – ohne Gewürze? Können Sie sich Chicken Tandoori vorstellen, ohne den Geschmack von Ingwer, Knoblauch, Koriander, Chili, Zimt oder Nelke auf der Zunge zu spüren? Oder Aal im Knuspermantel ohne Sellerie, Pfeffer, Beifuß, Dill und Petersilie? Wissen Sie, dass Gewürze Sie fröhlich oder traurig stimmen können, dass sie Ihnen Kraft geben, Sie heilen und fruchtbar machen? Ich werde im nächsten Jahr siebzig, und ich habe eine Geliebte von noch nicht einmal dreißig, die ich zufriedenstelle, sooft sie es wünscht.«
    Er blieb stehen und breitete die Arme aus. Ein Sonnenstrahl fiel auf seinen Nacken und den ausladenden Turban. »Sie haben gedacht, Sie kämen in eine schäbige Halle, nicht wahr? Aber es ist ein Palast, bis zum Dach angefüllt mit Schätzen.«
    »Haben Sie nur die Gewürze oder auch die Geräte, um sie zu verarbeiten?«, fragte der Commissaris, den Blick auf Sharmas Rücken gerichtet, während rechts und links von ihm die scheinbar endlosen Regale im Zwielicht der tanzenden Staubkörnchen aufragten und süße und stechende Gerüche seine Sinne benebelten.
    Der Gewürzhändler drehte sich um und betrachtete den Commissaris mit seinen hellgrün leuchtenden Augen. »Suchen Sie etwas Bestimmtes?«
    »Messer«, sagte der Commissaris, »besonders Schälmesser mit extrem kurzer Klinge. An der Spitze geformt wie ein Vogelschnabel.«
    »Ist Amir mit so einem Messer ermordet worden?«
    »Ja.«
    »Eine ungewöhnliche Waffe, um jemanden zu töten. Nein, wir führen keine Messer. Bei Gewürzen, die geschält werden müssen – wie Zimt, zum Beispiel –, geschieht das meistens schon bei der Ernte, und später, in der Küche, genügt ein Gemüsemesser, das sie in jedem Laden kaufen können. Ein Messer mit einer Klinge wie ein Vogelschnabel, wirklich merkwürdig.« Der Gewürzhändler wischte sich erneut die Stirn ab, obwohl es kühl war in der Halle. »Ich hoffe, dass ich Ihnen behilflich sein konnte, Mijnheer. Es tut mir sehr leid um Amir. Aber wie Sie sehen, habe ich eine neue Lieferung bekommen, und wenn ich meinem Personal beim Einräumen nicht auf die Finger sehe, gerät mir schnell das ganze Lager durcheinander.«
    »Ich habe nur noch eine Frage«, sagte Van Leeuwen. »Hatten Sie irgendwann mal das Gefühl, dass Amir vielleicht gar nicht zufällig zu Ihnen gekommen war? Weder zufällig noch freiwillig? Dass man ihn in Wirklichkeit zu Ihnen geschickt hatte?«
    »Nein«, sagte Sharma überrascht.
    »Und Sie?«, wandte der Commissaris sich an Shak.
    »Nein«, antwortete Sharmas Sohn, aber der Commissaris hatte den Eindruck, dass er im ersten Moment etwas anderes sagen wollte. »Wer sollte das denn getan haben? Und warum?«
    »Eine gute Frage«, bestätigte der Commissaris.
    Gallo sagte: »Ich habe auch eine gute Frage: Was für einen Wagen fahren Sie?«
    Shak warf seinem Vater einen überraschten Blick zu. »Was für einen Wagen?«
    »Die Firma hat einen Lieferwagen, einen VW-Bus«, antwortete Radschiv Sharma. »Er steht im Hof. Ach nein, er macht gerade seine Tour. Aber in zwei Stunden müsste er wieder hier sein.«
    »Einen roten Mercedes haben Sie nicht?«, fragte der Commissaris.
    »Einen roten Mercedes?« Wieder nahm der Gewürzhändler seinTaschentuch zur Hand, betupfte die schmalen Augenbrauen. »Nein, nicht mehr. Wir hatten einen, aber er wurde uns gestohlen.«
    Van Leeuwen spürte, wie sich auf einmal alles veränderte, das ganze Bild, das die bisherigen Fragen ergeben hatten. Es war ein Gefühl, als striche ihm eine Feder über den Rücken bis hinauf zum Nacken. »Wann?«, fragte er. »Wann ist er Ihnen gestohlen worden?«
    »Vor einigen Tagen«, antwortete Sharma. »Gemerkt haben wir es vorgestern, aber es kann schon früher passiert sein.«
    »Und es war ein roter Mercedes?«
    »Ein roter Mercedes Diesel, Baujahr 2000.«
    »Haben Sie den Diebstahl der Polizei gemeldet?«, wollte Gallo wissen.
    »Ja, gleich als wir gemerkt haben, dass der Wagen weg ist. Wir fahren nicht viel mit dem Auto, müssen Sie wissen. Wir stellen es ab, wo gerade Platz ist, und wenn wir es brauchen, müssen wir es manchmal sogar suchen. Es kommt vor, dass wir eine ganze Woche nicht danach sehen.«
    »Es könnte also genau vorgestern gestohlen worden sein, aber auch vor vier oder fünf

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