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Und verfuehre uns nicht zum Boesen - Commissaris van Leeuwens zweiter Fall

Und verfuehre uns nicht zum Boesen - Commissaris van Leeuwens zweiter Fall

Titel: Und verfuehre uns nicht zum Boesen - Commissaris van Leeuwens zweiter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claus Cornelius Fischer
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Familie, diese Sharmas«, sagte er. »Radschiv, der Vater, und seine beiden Söhne und dazwischen die junge Geliebte, die den Platz der Mutter eingenommen hat.«
    »In ihrer Heimat wäre so was vermutlich nicht möglich gewesen«, sagte Gallo. »Es gibt eben Einwanderer, die in der neuen Umgebung zu fanatischen Traditionalisten werden, und andere, die sich offen für neue Einflüsse zeigen.«
    »Hast du die beiden Söhne beobachtet, Shak, den älteren, und den Jungen, Pamit?«, fragte Van Leeuwen. »Wie stolz Pamit auf seinen Bruder ist ... Und Shak liebt den Jungen; beide lieben sich und würden füreinander durchs Feuer gehen. Ich wünschte, ich hätte so einen Bruder gehabt.«
    Gallo sagte: »Pamit scheint ein bisschen zurückgeblieben zu sein. Das Sorgenkind der Familie.«
    Das Sorgenkind der Familie , wiederholte der Commissaris in Gedanken. Er spürte ein Prickeln im Nacken, das sich zu den Schulterblättern hinunter ausbreitete. Er stellte das Bier ab, stand auf und ging zur Tür. »Es ist spät ... Sei pünktlich morgen, wir nehmen uns noch mal die Sharmas vor, gleich als Erstes.«
    An der Tür blieb er noch einmal stehen. »Weißt du, was Doktor Ten Damme heute gesagt hat? Die Vergangenheit kommt nicht wieder, aber sie verschwindet auch nicht. Wahrscheinlich liegt es daran, dass wir alle ein bisschen Ewigkeit in unseren Seelen mit uns herumtragen. Wie findest du das?«
    »Schrecklich. Oder schön. Ich glaub, ich muss erst darüber nachdenken.«
    »Ich auch«, sagte Van Leeuwen.

11
    »Wir müssen Ihnen noch ein paar Fragen stellen«, sagte der Commissaris zu Radschiv Sharma. »Beginnen wir mit dem Tag, an dem Sie Amir Singh zum ersten Mal gesehen haben.«
    Im trüben Licht eines bedeckten und kalten Vormittags, in dem alle anderen blass und grau wirkten, schien Sharmas Haut noch um einige Schattierungen dunkler geworden zu sein. Das Safrangelb seines Turbans leuchtete, aber der Glanz seiner Augen war getrübt, das indische Lächeln hatte nur einen kurzen, verlorenen Auftritt. Er saß an seinem Schreibtisch hinter dem offenen Tor der Lagerhalle und sagte: »Ich habe mit einem Anwalt gesprochen, ich muss gar nicht mit Ihnen reden.«
    »Doch, das müssen Sie«, sagte der Commissaris, »solange ich Sie als Zeugen befrage. Erst wenn ich Sie als Verdächtigen betrachte, können Sie die Aussage verweigern.«
    Er stand mit Hoofdinspecteur Gallo und Brigadier Tambur vor dem Schreibtisch des Gewürzhändlers. Überrascht hatte Van Leeuwen gesehen, dass Brigadier Tambur heute anders angezogen war als sonst: kein Leder, keine Nieten, stattdessen eine helle Leinenhose, ein olivgrünes T-Shirt, ein dunkelgraues Sakko und Sneakers. Während er sprach, ließ er seinen Blick durch die Halle wandern. Er konnte weder Shak noch Mira entdecken. Es waren auch keine Arbeiter da, die Lieferungen verstauten. Nur Pamit lag wieder auf den Säcken im Schatten an der Wand, weiß das Hemd, die Augen aufgeregt, glänzend. In der kühlen Luft hing der süße, trockene Geruch nach Gewürzen.
    Radschiv Sharma seufzte. »Ich weiß nicht mehr genau, welcher Tag es war, aber es ging schon auf den Abend zu ...« Er schaute hinaus auf den Hof und auf die Straße, auf der Lastwagen durch die vom Regen hinterlassenen Pfützen rollten. Dahinter standen lehmverkrustete Bagger und Planierraupen auf einer halb fertigen Baustelle. Auch einige der angrenzenden Lagerhallen standen leer, und die vereinzelten Tankzapfsäulen, Bankomaten und Imbissstände sahen aus, als bildeten sie nicht die Vorhut eines boomendenGewerbegebiets, sondern das letzte Aufgebot, das die Stellung gegen die um sich greifende Rezession hielt.
    »Als die Männer da waren«, rief der Junge von seinem Platz auf den Säcken her, bemüht, seinem Vater zu helfen, »an dem Tag danach kam er. «
    »Welche Männer?«, fragte Gallo.
    Sharma wandte sich auf seinem Drehstuhl um und warf seinem Sohn einige scharfe Worte auf Hindi zu. Der Junge widersprach heftig, aber ein weiterer Schwall schroffer Silben aus Radschivs Mund verfehlte seine Wirkung nicht. Pamit kletterte von den Säcken und ging mit gesenktem Kopf zu der Tür im hinteren Teil der Halle.
    »Was für Männer?«, fragte Gallo noch einmal.
    »Er meint den Tag, als der Zoll hier war«, gab Sharma widerstrebend Auskunft. »Viele Beamte in grünen Uniformen, sie tauchten im Morgengrauen auf, noch vor Sonnenaufgang, und stellten alles auf den Kopf.«
    »Eine Razzia?«, fragte Julika.
    Sharma nickte betrübt. »Sie sagten, sie müssten

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