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Und verfuehre uns nicht zum Boesen - Commissaris van Leeuwens zweiter Fall

Und verfuehre uns nicht zum Boesen - Commissaris van Leeuwens zweiter Fall

Titel: Und verfuehre uns nicht zum Boesen - Commissaris van Leeuwens zweiter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claus Cornelius Fischer
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streckte den Kopf heraus. Er trug einen nachlässig zugeschnürten Morgenrock aus hellbraunem Cord, Shorts und Sandalen. In der Hand hielt er eine halb volle Flasche Heineken. »Klar, komm rein, ich habe noch nicht geschlafen.«
    Van Leeuwen unterzog das Schloss einer kurzen Musterung. »Kein Problem, so was zu knacken«, sagte er.
    »Überhaupt keins«, sagte Gallo.
    Van Leeuwen schob sich durch die schmale Tür in den großen, gemütlichen Wohnraum, der zur Hälfte unter der Wasseroberfläche lag. Unaufgefordert setzte er sich auf die durchgesessene Ledercouch.
    Der Couch gegenüber stand ein mit Büchern vollgestopftes Regal aus dunkel gebeizter Esche, das rechts und links von zwei Bullaugen begrenzt wurde. Auf dem gebohnerten Parkettboden lag ein Orientteppich. Vor dem Regal stand der Fernsehapparat, ausgeschaltet. Es gab einen schmucklosen Esstisch mit einer sauberen Decke, einen ebenso einfachen Ebenholzcouchtisch, eine eisenbeschlagene Seeräubertruhe und zwei Bilder an den mit zitronengelben Raufasertapeten verkleideten Wänden.
    Das eine Bild war eine gerahmte Schwarz-Weiß-Fotografie von Charles Lindbergh neben der Spirit of St. Louis nach seiner Landung in Paris. Das andere, eine auf Holz gezogene Reproduktion von Goyas Der 3. Mai 1808 , hatte Van Leeuwen Gallo bei der Rückkehr von seinem Einsatz als Mitglied der Friedenstruppen in Bosnien geschenkt. Beklemmend eindringlich zeigte es die nächtliche Erschießung spanischer Rebellen durch französische Füsiliere, deren Feuer sich auf die nackte Brust eines jungen Mannes in einem offenen weißen Hemd zu konzentrieren schien. Manchmal half die künstlerische Darstellung des Grauens bei der Bewältigung des echten.
    Auf der Truhe lagen Gallos Schulterhalfter mit seiner Dienstwaffe, sein Ausweis und ein Paar Handschellen.
    »Möchtest du ein Bier?«, fragte der Hoofdinspecteur.
    »Wein hast du nicht?«
    »Keinen, den du trinken würdest.«
    »Dann möchte ich nichts.«
    Gallo setzte sich in einen Rattansessel auf der anderen Seite des Couchtisches, hob die Flasche in Van Leeuwens Richtung und setzte sie an den Mund, um einen Schluck zu nehmen. Einige Sekunden lang lauschten beide dem Spiel von Django Reinhardt. Die Musik war zart gewebt und doch rhythmisch; scheinbar fröhlich, in Wirklichkeit aber von Trauer und Melancholie erfüllt. Man konnte den Läufen der Gitarre leicht folgen, sie skizzierte die Melodie mit wenigen hellen Akkorden, schwang sich hoch und blieb doch auf dem Boden, und wenn man genau zuhörte, wurde man ein bisschen wehmütig, aber die Heiterkeit um die Wehmut ließ nicht zu, dass man darin versank.
    »Simone?«, fragte Gallo schließlich.
    »Sie erkennt mich nicht mehr«, sagte Van Leeuwen.
    Gallo schwieg. Er war der Einzige gewesen, der sie noch zu Hause besucht hatte, bis kurz vor Simones Abreise.
    »Ich habe mit dem leitenden Arzt gesprochen«, sagte Van Leeuwen. »Er hat mir erzählt, dass es Wissenschaftlern in Amerika gelungen ist, die Ablagerungen auf den Nervenzellen zurückzubilden, die bei Alzheimerkranken das Gehirn lahmlegen. In Laborversuchen.«
    »An Mäusen«, sagte Gallo.
    Van Leeuwen nickte bedächtig. »Ich weiß, es sind bloß erste Schritte, und bis sie das Medikament – oder was es ist – an Menschen erproben können, dauert es noch Jahre, aber trotzdem ... Weißt du, was das bedeutet, Ton?«
    »Hoffnung«, sagte Gallo.
    »Vielleicht erinnert sie sich wieder, eines Tages«, sagte Van Leeuwen. Kurz blitzte in seinen Gedanken der Name auf, Sandro , aber er schämte sich sofort dafür. »Vielleicht erkennt sie mich noch einmal.«
    Gallo trank den letzten Schluck aus seiner Flasche und sagte nichts.
    Schließlich fragte er: »Möchtest du wissen, was aus dem Hund geworden ist? Dem Husky von heute Nachmittag?«
    »Habt ihr ihn in die Tierklinik gebracht?«
    »Er musste eingeschläfert werden.«
    Van Leeuwen schüttelte den Kopf. »Warum tun Kinder so was? Woran liegt es? Liegt es an diesen Playstations oder wie die Dinger heißen? An den brutalen Spielen, die sie auf ihren Computern spielen? An dem Dreck, den sie im Fernseher sehen? Woran liegt es?«
    »Vielleicht liegt es an uns«, sagte Gallo. »An uns allen.«
    »Ich glaube, jetzt nehme ich doch ein Bier«, sagte Van Leeuwen. »Es sei denn, du bist müde und würdest lieber –«
    »Nein, sobald ich die Augen zumache, habe ich nur wieder diese Träume.« Gallo stand auf, öffnete die Tür zu der winzigen Küche und öffnete im Dunkeln den Kühlschrank. »Eine Zeit

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