Und verfuehre uns nicht zum Boesen - Commissaris van Leeuwens zweiter Fall
wie es im Punjab gesprochen wird. Er sagt, er kommt aus Delhi und kennt niemand in Holland. An seinem Arm trägt er den Kara , den Armreif der Sikhs, sonst hätte ich ihn sofort weggeschickt.«
»Aber das tut mein Vater natürlich nicht«, warf Shak ein. »Er redet mit ihm, und dann fragt er ihn auch noch, ob er etwas von Gewürzen versteht. Er führt ihn durch die Halle und fängt an, ihm alles zu erklären, und da wusste ich, dass er wieder –«
Das Telefon auf Sharmas Schreibtisch klingelte. Vater und Sohn starrten auf den Apparat. »Das Telefon«, fuhr der Gewürzhändler seinen Sohn an, »willst du es klingeln lassen?«
Trotz spannte Shaks Gesicht, aber beim dritten Klingeln nahm er den Hörer ab und meldete sich. »Sharma und Söhne.«
Sein Vater dämpfte die Stimme nicht, als er an Shaks Stelle weitersprach: »Mein Sohn wollte sagen, dass ich Amir aufgenommen und ihm Arbeit gegeben habe und dass er damit nicht einverstanden war, weil er der Meinung ist, die Firma wirft für uns selbst kaum genug ab. Für die Familie. Und für Mira, die nicht mal zur Familie gehört, aber trotzdem an unserem Tisch sitzt. Das sind die Gedanken meines ältesten Sohnes.«
Shak sagte »Ja, gern« zu dem Anrufer und hielt seinem Vater den Hörer hin. » De Peperbol , der alte Farkas, er möchte mit dir persönlich sprechen.«
»Entschuldigen Sie mich bitte, Commissaris«, sagte Sharma und nahm den Hörer.
Der Commissaris dirigierte Shak mit einem Kopfnicken vom Schreibtisch weg. »Hat Ihr Vater recht?«, fragte er. »Waren das Ihre Gedanken?«
Shaks Nasenflügel zuckten leicht, wie vor unterdrückter Empörung. »Amir Singh war ein Lügner. Er hat meinen Vater belogen, aber mich konnte er nicht täuschen. Der langsame Gang, der gesenkte Kopf, die Augen unstet; ich wusste, er war im Gefängnis gewesen. Er ging und er schaute wie ein Sträfling, und er sprach Niederländisch – nicht sehr gut, aber gut für jemanden, der Delhi erst seit ein paar Wochen verlassen hat. Ich habe seine Arme gesehen, da waren Einstichstellen. Und ich habe gesehen, wie er alles hier ganz genau angeschaut hat, den Wohnwagen, Papas Mercedes, die Waren ...«
»Haben Sie Ihrem Vater von Ihrem Verdacht erzählt?«
»Ja, aber er wollte nicht hören. Er ist mein Vater, und die Firmagehört ihm. Der Palast der 1000 Gewürze ist sein Werk. Solange er lebt, wird es so sein.«
»Ihr Vater ist nicht mehr der Jüngste«, sagte der Commissaris. »Hat er in seinem Alter noch die Kraft und das Auge für wirklich einträgliche Geschäfte?«
Shak antwortete nicht. Er presste die Lippen zu zwei knochenweißen Strichen zusammen, und seine Augen sagten Nein .
»Was ist, wenn deshalb einmalige Chancen unwiederbringlich verloren gehen?«, fuhr der Commissaris fort.
Shak wandte sich heftig ab. »Ich habe Hunger«, sagte er. »Sie können mit meinem Vater weiterreden.«
Van Leeuwen sah, dass Radschiv Sharma den Hörer zwischen Schulter und Ohr geklemmt hatte und in dem Auftragsbuch blätterte, das Shak auf den Tisch geworfen hatte. »Er wirkt sehr beschäftigt. Ich kann später mit ihm sprechen. Ich begleite Sie in die Küche. Mal sehen, wie weit Mevrouw Mirabal Kristin Halawi mit dem Essen ist.«
»Sie finden das komisch, ja?«, sagte Shak und drehte sich wieder um. »Sie finden uns komisch?«
»Nein«, sagte Van Leeuwen. »Ich finde nichts komisch, was mit einem Mord zusammenhängt. Aber wenn Sie Hunger haben und Ihr Vater beschäftigt ist, muss ich eben mit Mevrouw Halawi und Pamit sprechen.«
»Mit Pamit? Warum? Er ist noch ein Kind!«
Van Leeuwen machte Gallo und Julika ein Zeichen. »Macht ihr mal für mich weiter bei Mijnheer Sharma.«
»Was wollen Sie meinen Bruder fragen?« Shak wirkte plötzlich besorgt; der ganze Zorn fiel von ihm ab. »Sie müssen geduldig mit Pamit sein. Er ist dreizehn, und er ist ziemlich groß, aber seine Seele ist nicht mitgewachsen, nicht so schnell. Und er hat Amir ... Er war ganz vernarrt in Amir. Wir haben ihm noch nicht gesagt, dass sein neuer Freund tot ist. Das wäre ... Es wäre sehr schwer für ihn. Sehr traurig.«
»Warum ist er nicht in der Schule?«, fragte Van Leeuwen.
»Wir haben noch nicht die richtige Schule für ihn gefunden«,sagte Shak nach kurzem Zögern, »eine, in der man auf ihn eingeht. Bis dahin ... Sie müssen wissen, er ist etwas –«
»Vielleicht reicht es, wenn ich erst mal nur mit Mevrouw Halawi rede«, sagte Van Leeuwen.
Shak nickte dankbar und ging durch die Halle auf die Metalltür an der
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